Die Bestie I: Die Söhne des Horus #3
Aufzeichnungen von Martha Greenwood, Alexandria, Dezember 1928.
Die unmittelbare Gefahr in London ist unter Einsatz von Leib und Leben zunächst gebannt. Howard Dowies fällt allerdings durch eine schwere Verletzung aus und Isaac Baker leistet ihm im Krankenhaus sicherheitshalber Gesellschaft. So wenden sich die übrigen drei der angekündigten Überraschung ihres neuen Bekannten zu. Aufzeichnungen von Martha Greenwood, London, November 1928.
Nachdem wir den Bombenanschlag auf das House of Parliament erfolgreich vereiteln konnten, erholt sich der schwer verletzte Howard im Krankenhaus. Isaac wacht an seiner Seite, während wir anderen wieder ins Hilton umziehen – sehr zur Erleichterung von Despina.
Wir erhalten eine Nachricht von el Nassif, in der er uns für den nächsten Tag zur Aufführung von Aida ins Royal Opera House einlädt. Philip erfährt aus der Zeitung, dass es Gerüchte gibt, dass stattdessen ein anderes Werk gezeigt werden könnte. Wir freuen uns nach all der Aufregung trotzdem über ein bisschen harmlose Zerstreuung. Lediglich Despina hegt nach wie vor ein gewisses Misstrauen gegenüber el Nassif.
Wir wollen die Zeit bis zu Aufführung nutzen und begeben uns nochmal zur alten Kinderwagenfabrik, in der die Tooting Sons of Terror ihre Basis hatten. Obwohl das Gebäude von der Polizei abgesperrt ist, gelingt es uns zumindest, auf das Dach zu kommen. Dort sehen wir die von Howard beschriebene Tonne, in der sich unindentifizierbare, verbrannte Überreste befinden, und die Spuren eines mit Kreide gemalten Pentagramms auf dem Boden. Leider ist die Zeichnung nur noch rudimentär zu erkennen und bringt uns keine neuen Erkenntnisse.
Am nächsten Abend erscheinen Philip, Despina samt Boy und ich in Abendgarderobe im Royal Opera House, wo el Nassif uns schon erwartet. Wie bereits vermutet findet nicht wie geplant Aida statt, sondern Mozarts Entführung aus dem Serail. El Nassif zeigt sich darüber nicht erfreut und erhält als Entschädigung bessere Plätze in unmittelbarer Nähe des Orchestergrabens.
Die Oper beginnt, aber nach all den Geschehnissen in den letzten Tagen fällt es mir schwer, mich auf die Aufführung zu konzentrieren, und meine Gedanken schweifen immer wieder ab.
Plötzlich herrscht auf der Bühne Aufregung. Einer der Darsteller, ein Wächter mit Säbel, ruft auf Arabisch „Verräter!“ und kommt direkt auf uns zu! Ich packe den konsternierten el Nassif und zerre ihn zum Ausgang. Aus dem Augenwinkel sehe ich noch, wie Despina unauffällig in ihre Handtasche greift, dann gelange ich mit el Nassif in den Eingangsbereich. Auch die anderen Zuschauer strömen erschrocken nach draußen.
Philip und Despina stoßen kurz darauf zu uns. Philip berichtet, dass zwei Reihen hinter uns ein Orientale gesessen habe und vermutet, dass dieser das Ziel des Wächters gewesen sei. Die Musiker im Orchestergraben konnten den Mann aber überwältigen und es wurde niemand verletzt. El Nassif bedankt sich bei mir für meine Sorge um ihn, aber wie es scheint, war das gar nicht nötig. Der Wächter sei ihm nicht bekannt gewesen, sagt er uns.
Nach diesem unangenehmen Zwischenfall möchte uns Nassif entschädigen und führt uns ins Restaurant Luxor, welches ausgezeichnete ägyptische Spezialitäten serviert. Wir lassen uns in einem eigens für uns hergerichteten Séparée nieder und genießen die dargebotenen Köstlichkeiten.
Doch auch hier ist uns keine Ruhe vergönnt. Nach einiger Zeit wird mein Kopf schwer und Schwindel überkommt mich. „Das Essen war vergiftet!“, denke ich noch, doch diese Erkenntnis kommt viel zu spät. Es wird dunkel.
Nur langsam komme ich wieder zu Bewusstsein, ein übler Geschmack im Mund und pochende Kopfschmerzen begleiten dieses unangenehme Erwachen. Meine Mitstreiter und ich liegen auf dem Boden, teilweise unbekleidet, die Wände sind blutbeschmiert und el Nassif liegt völlig nackt auf dem Tisch, sein Brustkorb aufgerissen, sein Herz in einer Schale am Kopfende platziert.
Benommen stellen wir fest, dass wir alle vier kreisförmige Markierungen aus Blut am Oberkörper tragen, allerdings an unterschiedlichen Stellen.
In diesem Moment betritt ein Fräulein vom Restaurant das Séparée, beginnt zu schreien und stürmt wieder hinaus. Philip reagiert erstaunlich kaltblütig und bringt den Mantel von el Nassif an sich, während Despina und ich nach unseren Kleidern greifen.
Als mehr und mehr Menschen vom Restaurant hereinströmen und sich um uns kümmern, bekomme ich Hustenanfälle und würge eine schleimige, weiße Flüssigkeit aus. Ich stürme sofort ins Bad und wasche mir das Blut vom Körper, aber der Husten bleibt. Auch Philip scheint unter Übelkeit zu leiden, was haben diese Zeichnungen zu bedeuten?
Die Polizei kommt und wir geben das Geschehen zu Protokoll. Philip konnte noch sehen, wie ein Mann das Séparée betrat, bevor er das Bewusstsein verlor. Und es war derselbe Mann, der in der Oper zwei Reihen hinter uns gesessen hat und den der Wächter angreifen wollte!
Man bringt uns ins Krankenhaus, wo wir von Dr. Lecter untersucht werden. Er tastet meinen Oberkörper ab und schickt mich dann zum Röntgen. Der Befund ist ebenso erschreckend wie eindeutig: Mir fehlt ein kompletter Lungenflügel! An seiner Stelle zeigt die Aufnahme eine dickflüssige, weißliche Masse, die den gesamten Raum einnimmt. Auch Philip, Despina und ihrem Bediensteten fehlen Organe.
Mir fällt wieder ein, dass el Nassif das Herz entfernt worden ist, aber der Grund dafür ist uns allen ein Rätsel. Zwar ist es in altägyptischen Begräbnisritualen üblich, die Organe des Verstorbenen in Kanopen aufzubewahren, aber doch nicht die von anderen!
Es ist medizinisch nicht zu erklären, weshalb wir überhaupt noch leben, keinerlei Narben tragen und relativ beschwerdefrei sind. Philip und ich werden lediglich von Husten geplagt und Despina klagt über ein unangenehmes Völlegefühl. Sie nimmt die Situation so stark mit, dass man sie ruhig stellen muss. Wir alle verbringen die Nacht im Krankenhaus.
Philip hat unterdessen el Nassifs Mantel durchsucht und neben einem Notizbuch auch eine Visitenkarte von Prof. Dr. Horatio Puck gefunden. Prof. Puck arbeitet für das British Museum und im Notizbuch findet sich ein Eintrag, dass el Nassif ihn für die Schätzung eines Kopfschmuckes und eines Ankhs zu Rate ziehen wollte. Von selbigem Ankh findet sich im Büchlein auch eine grobe Skizze.
Wir begeben uns am nächsten Tag also zum British Museum und unterhalten uns mit Prof. Puck. El Nassifs Tod nimmt ihn mit, aber seine Bestürzung kommt mir dennoch etwas gespielt vor. Er erzählt uns, dass er die fraglichen Artefakte noch nicht bekommen habe, dass sie aber wohl aus einem bisher unbekannten Herrscherhaus aus der 6. Dynastie stammen sollen. Über dieses Herrscherhaus ist nahezu nichts bekannt, weil alle Hinweise auf Stelen und Inschriften von den folgenden Machthabern entfernt worden waren. Es scheint also in Ungnade gefallen zu sein.
Eine interessante Randinformation ist, dass das Ankh wohl an der Kopfbedeckung befestigt werden könnte, allerdings verkehrt herum, was mehr als ungewöhnlich wäre.
Zu möglichen Feinden von el Nassif kann der Professor nichts sagen, aber er gibt uns noch den Hinweis, bei weiteren Fragen zu ägyptischen Begräbnisritualen nach Dr. Ali Kafour zu suchen, der ein bekannter und sehr kompetenter Experte für Ägyptologie und Mythologie ist und sich zurzeit in Alexandria aufhalten soll.
Wir begeben uns zu Scotland Yard und hoffen, dort mit dem Angreifer aus der Oper sprechen zu können. Er scheint ja die Identität des Mannes zu kennen, der unsere Organe entwendet und el Nassif ermordet hat.
Der Mann hat bisher noch keine Aussage gemacht und der Constable vermutet, dass er nur arabisch spricht. Aufgrund meiner Sprachkenntnisse werden wir tatsächlich zu ihm gelassen. Ich befrage ihn zu dem mysteriösen Mann und warum er ihn töten wollte. Der Wächter stellt sich als Said vor und berichtet uns nahezu Unglaubliches.
Er ist ein Janitschar und Mitglied einer Gemeinschaft, die sich selbst die wahren Schwerter nennt. Ziel der wahren Schwerter ist die Vernichtung der sogenannten Häuter. Die Janitschare waren Elitekrieger, die dem Sultan als Leibwache dienten. Sie waren ursprünglich christliche Jungen und wurden aus den besetzten Gebieten eingezogen, dann zum Islam bekehrt und ausgebildet.
Im 15. Jahrhundert fand der serbische Janitschar Konstantin Mihajlovi auf einem Kriegszug vermutlich magische Werke, die auf Haut geschrieben waren. So bildete sich eine Art Sekte, die Bruderschaft der Haut, deren Anhänger laut Said über dunkle Kräfte und unnatürlich langes Leben verfügten.
Nach der Zerschlagung der Janitscharen im Jahr 1826 durch Sultan Mahmud II. gelang es einigen beider Lager zu entkommen. Seitdem bekämpfen sich die beiden Gruppen im Verborgenen.
Said sagt uns, dass er mit zwei Begleitern den Auftrag erhalten hat, el Nassif vor den Häutern zu schützen, den Grund dafür kann er uns aber nicht sagen. Einer seiner Begleiter, ein Mann namens Abd-al Qadir, hat sich als Verräter entpuppt. Das war der Mann hinter uns in der Oper, den Said angreifen wollte. Über den Aufenthaltsort seines anderen Begleiters namens Sinan bin Umar weiß Said nichts, aber er soll sich auch in London befinden.
Wir berichten Said von dem, was uns im Restaurant widerfahren ist. Er meint, dass man eine Art dunkles Ritual mit uns durchgeführt habe, dass man uns aber vermutlich aus irgendeinem Grund noch lebend bräuchte. Unsere einzige Chance sei, unsere Organe so schnell wie möglich wieder zu beschaffen, denn niemand wisse, wie lange uns die Verderbten noch benötigten.
Ich biete Said rechtlichen Beistand an, den er aber ruhig und bestimmt ablehnt. El Nassif ist tot, er hat versagt und es scheint für ihn nun keine Rolle mehr zu spielen, was mit ihm geschieht. Der Constable geht davon aus, dass Said für viele Jahre ins Gefängnis gehen wird, ich bin allerdings skeptisch, ob er noch lange leben wird.
Philip und ich suchen die Bibliothek auf, wo wir auch noch ein paar Hinweise auf das mysteriöse Herrscherhaus aus der 6. Dynastie finden. Die einzigen Quellen dazu sind griechischen Ursprungs und sprechen von einer Herrscherin, die die „kühnste und schönste“ Frau gewesen sein soll.
Nachdem wir weder bei der Penhew-Stiftung noch bei el Nassifs Büro weitere Informationen bekommen können, sind wir der Verzweiflung nahe. Jeder Tag, den wir ohne unsere Organe überstehen müssen, wird beschwerlicher. Mein Husten nimmt zu, Philip hat eine ungesunde gelbliche Gesichtsfarbe angenommen und sowohl Despina als auch ihr Bediensteter klagen über Bauchschmerzen.
In unserer Ratlosigkeit buchen wir das nächste Schiff nach Alexandria, um dort den Ägyptologen Dr. Kafour und einen im Notizbuch erwähnten Geschäftspartner von el Nassif aufzusuchen. Der Händler Abu Salama soll die Kopfbedeckung und das Ankh haben, auf deren Lieferung el Nassif bereits ungeduldig gewartet zu haben scheint.
Wir rätseln immer noch, weshalb man uns nicht einfach getötet hat und warum wir nicht gefangen genommen wurden. Sollte uns jemand für ein Ritual benötigen, wäre es doch naheliegend, dass er uns wenigstens beobachtet?
Nach neun Tagen auf dem Schiff erreichen wir Alexandria. Trotz der widrigen Umstände freue ich mich, endlich wieder ägyptischen Boden betreten zu können. Dieses Land blickt auf eine so unglaubliche und fantastische Geschichte zurück, dagegen wirkt unsere nahezu unbedeutend, ja geradezu primitiv. Und allmählich scheint das Bewusstsein der eigenen Stärke auch bei den Einheimischen erwacht zu sein. Seit 1922 herrscht König Fuad I. und drängt den Einfluss der Briten immer mehr zurück. Auch wenn ich Monarchien für eine überkommene und alles andere als optimale Regierungsform halte, finde ich das erstarkte Selbstbewusstsein der Ägypter durchaus begrüßenswert. Leider stellt uns das jetzt vor einige Probleme: Zwar sind Despina und ich keine Briten, aber Philip sehr wohl und mit seiner auffälligen Aufmachung zieht er sofort missmutige Blicke auf uns. Hier sind Vorsicht und Diplomatie gefragt.
Wir quartieren uns auf Despinas Drängen in einem Luxushotel ein und machen uns dann sofort auf den Weg zum Kontor von Abu Salama in der Straße El Gaish am Hafen.
Wir sehen schon von Weitem, dass das Kontor geschlossen ist. Als wir um das Gebäude herum gehen, bemerken wir die Worte „Freund der Briten“ in leuchtend roter Farbe an der Wand prangend, auch Fenster sind eingeworfen worden.
Wir gelangen zu einem kleinen Hinterhof und in der Rückwand des Hauses befinden sich mehrere große Löcher, die vielleicht von einem Beschuss oder Ähnlichem stammen. In einer der Öffnungen steht ein kleines Kind, das uns misstrauisch beäugt. Als ich ihm zurufe, klettert es flink aus dem Haus und rennt davon. Wir werden wohl in Kürze Gesellschaft bekommen und sollten uns beeilen.
Das Kontor wurde im Inneren komplett verwüstet. Ich bin fassungslos, als ich all die unersetzbaren Artefakte sehe, die achtlos auf dem Boden liegen, teilweise beschädigt oder ganz zerstört. Auch wenn die Zeit drängt, bemühe ich mich, die ältesten und geschichtlich relevantesten Gegenstände zu sammeln. Ein hoffnungsloses Unterfangen, was für Barbaren haben hier gewütet?!
Despina findet eine Nachricht von einem gewissen Colonel Timothy William Cotton, den sie noch von früher her kennt. Er hat Interesse an zwei Artefakten, die ihm Abu Salama aber wohl verweigert hat. Es könnte natürlich Zufall sein, aber wir denken sofort an die Kopfbedeckung und das Ankh.
Philip untersucht oben die Löcher in der Mauer und stellt auf dem Holzboden mutmaßliche Krallenspuren fest. Allerdings müsste das dazugehörige Tier größer als ein Löwe sein und 4 bis 5 m hoch springen können. Zusätzlich entdeckt er einen großen dunklen Blutfleck am Boden.
Vor dem Kontor hat sich mittlerweile eine Menschenmenge versammelt und wir halten es für angebracht, unauffällig durch die Hinterhöfe zu fliehen, was uns auch gelingt.
Im Britischen Konsulat erhalten wir die Information, dass Colonel Cotten seit sechs Jahren im Ruhestand ist und in einem der Luxusviertel Alexandrias lebt. Selbstverständlich suchen wir ihn sofort auf.
Das Anwesen ist wie erwartet luxuriös und sehr gepflegt. Eine junge Afrikanerin namens Oluwa-seyi empfängt uns dort und führt uns in den Salon, da der Colonel zurzeit noch Besuch hat.
Der Raum ist geschmackvoll eingerichtet, allerdings fällt mir sofort eine große Kohlezeichnung auf, die ein Ankh zeigt – das auf dem Kopf steht!
Ich bemühe mich, die Zeichnung mit der aus dem Notizbuch zu vergleichen, leider kann ich nicht eindeutig feststellen, ob es sich um das gleiche Schmuckstück handelt. Philip versucht unterdessen, das Gespräch im Nebenzimmer zu belauschen, außer den Worten „London“ und „Boston“ kann er aber nichts hören. Als Colonel Cotton schließlich zu uns kommt, sehen wir noch eine attraktive Dame in einem eleganten weißen Hosenanzug, die den Raum verlässt.
Cotton ist das wandelnde Klischee eines britischen Offiziers, seine offenkundige Ignoranz, die er mit Schneid zu verwechseln scheint, und der kaum verhohlende Rassismus, der in jeder seiner Äußerungen über die Ägypter mitschwingt, werden nur noch übertroffen von seiner widerwärtigen Anzüglichkeit gegenüber seiner Assistentin. Philip geht auf das Spiel ein, hoffentlich nur, um an Informationen zu gelangen und nicht aus echter Überzeugung.
Cotton beschwert sich darüber, dass der Händler Abu Salama ihm zwei Artefakte nicht verkaufen wollte, obwohl er selbst Pate der entsprechenden Ausgrabung gewesen sei. Als ob dieses Crétin einen Kanopenkrug von einer Dose Bohnen unterscheiden könnte!
Für die erlesene Einrichtung ist nicht er, sondern Oluwa-seyi verantwortlich. Als ich sie nach dem umgedrehten Ankh frage, meint sie, dass es nur ein Versehen sei. Ich bin mir sicher, dass sie lügt und überlege, ob der Colonel nicht nur eine Art Marionette sein könnte.
Cotton berichtet noch, dass in Abu Simbel eine große Entdeckung bevor stünde und morgen eine Expedition dorthin starten würde. Es soll ein geheimer Gang gefunden worden sein. Wir verabschieden uns und sehen draußen ein schweres Fahrzeug, das mit allerlei Ausrüstung beladen wird.
Allmählich liegen bei uns allen die Nerven blank. Ohne echten Hinweis, wo wir unsere Organe finden können, werden wir immer gereizter. Wir diskutieren, was als Nächstes unternommen werden könnte. Philip und ich sind der Meinung, dass wir diese Ausgrabung verfolgen müssten. Despina bezweifelt, dass uns das helfen würde. Bevor ein handfester Streit ausbricht, erinnern wir uns jedoch an Dr. Kafour, der ebenfalls in Alexandria sein soll und uns vielleicht helfen kann. Er arbeitet für das Historische Institut in Alexandria und hat tatsächlich Zeit für uns.
Auch er erinnert sich an das alte Begräbnisritual, bei dem die Organe des Verstorbenen den vier Horussöhnen übergeben werden. Die Horussöhne bewachen die Organe beim Übergang des Verstorbenen ins Totenreich:
Auch zur Bruderschaft der Haut kann uns Dr. Kafour weiterhelfen. Bereits in der 3. Dynastie soll es einen dunklen Kult gegeben haben, in den auch der Pharao Nephren-Ka verwickelt gewesen sein soll.
Zu Zeiten der 6. Dynastie gab es eine Pharaonin namens Nitocris. Ein namenloser Priester des Ptah, der wohl auch ihr Geliebter gewesen ist, übte schädlichen Einfluss auf sie aus. So ließ sie nach ihrer erzwungenen Thronbesteigung angeblich bei den Feierlichkeiten dazu den Festraum mit Nilwasser fluten und so alle töten, die sie gegen ihren Willen an die Macht gebracht hatten. Während ihrer Herrschaft brach eine Zeit der Dekadenz und des Verderbens für das Land an. Nitocris schaffte die alten Götter ab und ersetzte sie durch einen Kult. Das würde erklären, weshalb ihr Name von allen Tafeln entfernt wurde. Nach ihrem Tod wurde Nitocris und dem Ptah-Priester die standesgemäße Beisetzung verwehrt. Aber sie sollen trotzdem mumifiziert und an einem geheimen Ort beigesetzt worden sein.
Vor Kurzem ist das Gerücht aufgekommen, dass in der Nähe von Assuan das Grab eines Ptah-Priesters gefunden worden sei. Dr. Kafour sagt, man habe ihn für eine entsprechende Expedition angefordert, aber er habe aus Zeitgründen abgelehnt.
Dr. Kafour hat auch von dem Janitscharen Konstantin Mihajlovi gehört und ist sogar im Besitz eines Tagebuchs von eben diesem Mann. Ich habe nur Zeit für einen flüchtigen Blick, eine genaue Studie des Werkes würde zuviel Zeit beanspruchen.
Konstantin berichtet über den Kriegszug des Sultans Mehmed gegen Vlad III. Die Art und Weise, in der er mit grauenhafter Faszination von den Gemetzeln schreibt, jagt mir einen Schauer über den Rücken. So berichtet er beinahe ehrfürchtig von einem Gefangenen, der trotz schlimmster Folter seinen Peinigern nur ins Gesicht lachte. Als er und seine Kameraden an Hunderten Gepfählter vorbeireiten, erfüllt ihn das nahezu mit Begeisterung. Das Heer von Vlad III. scheint einem dunklen Gott zu folgen und wenn man den Bericht von Said zu den Häutern berücksichtigt, scheint Konstantin ebenfalls dem dunklen Kult verfallen zu sein.
Es gibt nun viele offene Fragen, aber alles scheint sich auf die besagte Grabung und den dunklen Kult zu konzentrieren, die Bruderschaft der Häuter.
-- Molybdaen