Die Reise durch die Traumlande geht weiter und die Gruppe ist im Begriff der Stadt Sarkomand den Rücken zu kehren, um nach Inquanok zu marschieren.
Aufzeichnungen von Milton Avery
- Milton Avery
- Mortimer Wellington
- Li Jinjin Rochefort
- Damian Cornell
- Conrad Quailin
Wir erwachen nach einer weiteren unruhigen Nacht im stinkenden Zelt des Sammlers. Mit Erschrecken stellen wir fest, dass Zack nicht mehr da ist. Ob er geflohen ist oder entführt wurde, tot oder Schlimmeres, wir haben keine Zeit, dem Rätsel auf den Grund zu gehen und bereiten uns auf den Aufbruch nach Inquanok vor,
Der Sammler bringt uns nach Westen bis zu einer Steinwüste, die übersät ist mit den Trümmern der ehemals riesigen Bauwerke. Dort trennen sich unsere Wege. Li versucht noch halbherzig, ein Ablenkungsmanöver zu starten, um der silbernen Sartystatue des Sammlers habhaft zu werden, scheitert allerdings kläglich. Der Sammler verabschiedet sich und geht seiner Wege.
Wir machen uns an den beschwerlichen und durchaus gefährlichen Weg durch das Trümmerfeld. Ich stürze zweimal und ziehe mir eine üble Platzwunde an der Schläfe zu. Blutüberströmt bitte ich Li um Hilfe und murmele, dass meine Wunde verarztet werden müsse. Plötzlich fühle ich, wie der Blutstrom versiegt und der pochende Schmerz nachlässt. Als ich die Wunde vorsichtig betaste, ist außer einer haarfeinen Linie nichts mehr zu spüren. Die Wunde ist fast spurlos verheilt!
Wie es scheint, verfüge ich hier über mehr Kräfte als bisher gedacht. Hoffentlich finde ich in Inquanok jemanden, der mir bei der Erforschung dieser Macht helfen kann. Doch ersteinmal müssen wir diese geheimnisvolle Stadt überhaupt erreichen.
Der erste Teil des Wegs ist recht ereignislos, wir folgen der gepflasterten Straße Richtung Westen, das unruhige graue Meer zu unserer Linken, zur Rechten erstrecken sich Hügelketten, soweit das Auge reicht, weit am Horizont ist ein Gebirge zu erahnen.
Plötzlich reißen uns aufgeregte Schreie aus der Monotonie. Am Strand sehen wir vier Gestalten, drei davon sind offenbar in Streit über einen Gefangenen geraten, der eine Kette um den Hals trägt. Sein Bewacher ist in wallende Gewänder gekleidet, während seine beiden Kontrahenten eigentümliche Rüstungen tragen. Ihre Gestalten wirken fremd und wir fragen uns, was für Geschöpfe das wohl sein mögen. Der Gefangene ist dagegen ganz eindeutig ein Mensch, er trägt einen heruntergekommenen Tweed-Anzug und schaut dem Disput hilflos zu. Li stürzt sich sofort den Kreaturen entgegen, auch Damian folgt ihr. Mortimer zückt seinen Speer und folgt nach kurzem Zögern. Ich mache meinen Bogen bereit und ziele.
Der Kampf ist kurz und endet für einen der Rüstungsträger und den in den Gewändern tödlich. Der Dritte sucht sein Heil in der Flucht. Der Gefangene betrachtet uns furchtsam, es kostet mich allerdings nur ein paar Sätze, um ihm zu versichern, dass wir sein Schicksal teilen und ihm helfen wollen.
Sein Name ist Conrad Quailin, sein Weg in die Traumlande fand er – anders als wir – nicht über das Opium, sondern durch die Standuhr seines Schwagers, welcher bereits seit 2 Jahren vermisst wird. Er selbst kam nach dem Gang durch die Uhr in einem Zelt an, wo er die bereits stark verweste Leiche seines Schwagers vorfand. Dies ist seiner Erinnerung nach etwa zwei Wochen her. Sonderbarerweise ist er hier mit seinem eigenen Körper angekommen. Die einzige Veränderung, was seine Gestalt betrifft, ist die Tatsache, dass seine goldene Taschenuhr, welche er an einer feinen Kette an seiner Westentasche befestigt hat, bündig in seinem Bauch verschwindet. Es ist keine Schnittstelle zu sehen, keine Verletzung, und er selbst kann sich das nicht erklären. Bis jetzt war ihm dieser skurrile Zustand überhaupt nicht aufgefallen.
Nachdem Conrad nach seiner Ankunft zwei Wochen durch diese ihm unbegreiflich und feindselig erscheinende Welt getaumelt war, geriet er in die Gewalt der Männer von Leng. Denn um niemand anderen handelt es sich bei den Geschöpfen, die wir hier getötet haben. Ihre Ohren sind spitz und fuchsartig, ihre Hände sind Klauen, statt Füßen haben sie gespaltene Hufe und ihre dunkle Haut schwärt vor eiternden Wunden. Wir nehmen ihnen 12 rote Edelsteine ab und setzen unseren Weg fort.
Die Straße windet sich weiter gen Norden, wir folgen ihr bis zum Einbruch der Dämmerung, dann wollen wir unser Lager aufschlagen. Auf einem Hügel sehen wir ein langes, rötliches Bauwerk. Wir bewegen uns durch die Hügel darauf zu in der Hoffnung, eine sichere Unterkunft für die Nacht zu finden.
Doch auf den Hügeln, die sich weit vor uns ausbreiten, gehen sonderbare Dinge vor sich. Wir vernehmen ein leises Scharren wie von tausenden kleinen Beinen. Im Dämmerlicht scheint sich die Oberfläche eines Hügels auf uns zuzubewegen. Wir lassen jede Vorsicht fahren und stürzen auf das rote Gebäude zu, rennen durch die offene Tür und schließen sie.
In völliger Finsternis gefangen fällt uns auf, dass wir über keinerlei Lichtquelle verfügen. Ich taste mich blind an den rauen Wänden entlang, bis ich tatsächlich auf eine Fackel stoße. Damian findet dazu passend Feuerstein und Zunder, fiat lux!
Vor uns erstreckt sich ein langer Gang, in dem sich lediglich ein paar leere Säcke und ein Fässchen befinden, in dem wir schlechten Wein vorfinden. Zwei dunkle, mannshohe Nischen an den Wänden wecken mein Interesse. Ich gehe mit der Fackel auf die linke zu und erblicke dort eine erstaunlich realistische Tonstatue eines Kriegers. Vermutlich ist dies ein Grabmal, der tönerne Geselle hier wird wohl ein Wächter sein.
Ich trete zurück und spüre plötzlich kalten Stahl an meinem Hals. Ein rostroter Arm ergreift mich, für eine Sekunde glaube ich, der Krieger aus der rechten Nische sei zu unheiligem Leben erwacht. Doch dann bröckelt die rote Farbe und menschliche Haut kommt zum Vorschein. Offenbar hat ein Wächter aus Fleisch und Blut in der anderen Nische gelauert. Er bewegt sich Richtung Ausgang und zieht mich mit sich. Meine Gefährten starren ihm stumm entgegen, lassen ihn aber passieren. Ich werde bis zur Tür mitgeschleppt und dann mit einem unsanften Stoß zurück ins Hausinnere befördert. Hinter mir höre ich, wie die Tür zufällt und von außen ein Balken vorgelegt wird. Wir sind gefangen.
Wir wenden uns nun in die einzige Richtung, die uns bleibt: Weiter ins Innere des Grabmals. Denn tatsächlich handelt es sich um genau dies. Ein altes, muffiges Fell verdeckt die Sicht in einen weiteren Raum. Mortimer reißt es ab und wir blicken in die dahinterliegende Grabkammer.
Auf einem Thron hockt ein Skelett in voller Rüstung, Schild und Schwert lehnen neben ihm. Eine Lagerstätte an der linken Wand sowie die bereits gefundenen Säcke lassen uns vermuten, dass das Grab Schmugglern als Unterschlupf dient. Wir untersuchen den Raum und finden versteckt ein paar violette Kristalle sowie einen Dolch. Hinter dem Thron befindet sich ein weiterer Durchbruch.
Geräusche von der barrikadierten Tür lassen uns aufschrecken. Der Wächter ist zurück und den Stimmen nach zu urteilen hat er seine Spießgesellen mitgebracht! Hastig stürzen wir in den versteckten Durchbruch. Ein kurzer Streit entbrennt, wie wir uns am besten verteidigen sollen, unsere Bögen nutzen in der Enge nur wenig. Conrad positioniert sich direkt neben dem Durchbruch, bereit jedem die Hände abzuhacken, der so leichtsinnig sein sollte, sie hindurchzustrecken.
Damian greift zu einer ebenso einfachen wie effizienten Methode: Er beginnt, den bröckeligen Sandstein zu zerschlagen, um gewaltsam einen Ausgang zu schaffen. Nach kurzem Zögern helfe ich ihm.
Das Gesindel versucht mittlerweile, zu uns in den Raum vorzudringen, wird aber mit einem gezielten Hieb zurückgeschlagen. Aus dem Nachbarraum dringt schreckliches Schmerzgeheul zu uns.
Wir verbreitern weiter das Loch in der Wand und können schließlich alle hindurchfliehen. Keine Zeit wird darauf verschwendet, nach unseren Verfolgern zu schauen, wir rennen durch die Hügellandschaft weiter in Richtung Straße, bis wir sicher sind, in der Dunkelheit nicht mehr gefunden werden zu können. Erschöpft rasten wir in einer Senke, das alte Fell, welches Mortimer mitgenommen hat, erweist sich als überraschend bequeme Unterlage.
Am nächsten Tag setzen wir unseren Weg fort, wir sind zuversichtlich, Inquanok heute erreichen zu können. Doch zuvor hält dieses sonderbare Traumland eine weitere Begegnung für uns bereit. In einem vom Blitz gefällten Baum treffen wir auf eine Gestalt in grauen Gewändern. Ihr Gesicht bleibt im Dunkeln, selbst als wir direkt vor ihr stehen. Nur aufgrund der Stimme können wir feststellen, dass es wohl ein Mann ist, der einen Kartenstapel wieder und wieder durch die Luft wirft, dann laut auflacht oder unverständlich vor sich hin murmelt.
Der Fremde legt auch uns die Karten und ergeht sich in geheimnisvollen Anspielungen, deren Sinn zunächst niemand von uns wirklich zu ergründen vermag. Er sagt, dass uns Schmerz und Leid erwarte, wenn wir unseren eingeschlagenen Weg fortsetzen würden. Aber er meint damit nicht Inquanok, sondern unser eigentliches Ziel – die Traumlande zu verlassen und wieder in unsere Welt zurückzukehren. Er fragt uns, ob es nicht besser und einfacher wäre, hier in diesem Land zu verweilen, in dem wir über ungeahnte Kräfte verfügen würden und unser Leben ganz nach unseren Wünschen gestalten könnten.
Die Anderen geben nicht viel auf seinen Rat und setzen unbeirrt ihren Weg fort, doch mich bewegt seine Rede. Ich habe nicht vergessen, dass ich meine körperlichen Wunden mit purer Willenskraft zu heilen vermochte. Was für Kräfte mögen sonst noch in mir schlummern?
Nachdenklich folge ich meinen Gefährten, zunächst haben wir ohnehin alle dasselbe Ziel, Inquanok. Was danach geschehen mag, man wird es sehen.
Und bald schon sehen wir in der Ferne das Ziel unserer Reise. Inquanok wird von gigantischen Mauern geschützt, die hoch wie Wolkenkratzer in den Himmel ragen. Davor wacht in einigen kleineren Befestigungen gut ein Dutzend hochgewachsener Krieger, das uns neugierig und ein wenig misstrauisch entgegenblickt.
Sie sprechen eine uns unbekannte Sprache, aber recht schnell findet sich einer unter ihnen, der sich zumindest rudimentär mit uns verständigen kann. Er fragt uns, ob wir Träumer seien und als wir bejahen, ändert sich das Verhalten der Wachen schlagartig. Wir werden freundlich empfangen und sogleich in die Stadt begleitet, wo wir dem Ältestenrat vorgestellt werden.
Wir tragen unser Anliegen vor und bitten um Hilfe bei der Suche nach einem Zugang zu unserer Welt. Uns wird gesagt, dass es einige Wege gäbe und man uns gerne helfen würde, wenn wir im Gegenzug auch etwas für die Stadt täten.
Seit Urzeiten baut Inquanok Stein ab und verschifft diesen, teils unbearbeitet, teils in Form von kunstvollen Statuen. Der junge Drax von Hombur befürchtet, dass die Vorräte der Stadt zur Neige gehen könnten und will daher außerhalb Inquanoks neue Abbaugebiete erschließen. Ihm entgegen steht der ältere, feiste Yweddes, der das strikt ablehnt und sich ganz auf die Vorräte der Stadt verlassen will. Um eine Entscheidung zu treffen, soll das so genannte Orakel befragt werden. Dies kann aber nur von Träumern wie uns getan werden, den Grund dafür erfahren wir nicht.
Wir sollen also das Orakel aufsuchen und fragen, welchen Weg Inquanok einschlagen soll. Im Gegenzug verspricht man, uns bei Rückkehr in unsere Welt zu helfen.
Ich frage den Rat nach den violetten Kristallen und man sagt mir, sie seien zur Ausübung von Magie notwendig. Meine Zweifel, ob ich überhaupt in die wache Welt zurückkehren möchte, sind ohnehin weiter gewachsen, jetzt wo ich diese fantastische Stadt und ihre kunstfertigen Handwerker gesehen habe. Gerne will ich mehr über die Magie dieser Welt erfahren und frage direkt danach. Drax meint, dass sich sicherlich ein Lehrer finden ließe, sobald wir unsere Aufgabe erfüllt hätten. Damit ist es klar, ich werde die anderen zum Orakel begleiten!
Wir alle haben das sonderbare Gefühl, dass der Ältestenrat nicht ganz ehrlich zu uns ist oder uns zumindest nicht alles gesagt hat. Aber es bleibt uns kaum eine andere Wahl, als uns der Aufgabe zu stellen. Zwei leicht heruntergekommene Führer sollen uns den Weg zeigen: Der kräftige, mit einem schweren Schwert gerüstete Awad von Hombur, der von Drax mitgeschickt wird, und der eher zierliche, dafür aber sehr gewitzt erscheinende Dem, der zu Yweddes‘ Gefolgsleuten gehört. Der Aufbruch wird so schnell wie möglich erfolgen.
-- Molybdaen