The Sense of the Sleight-of-Hand Man - oder in Zukunft einfach TSotSoHM genannt - ist im Gegensatz zu unserer letzten Kampagne (Die Bestie) keine Railroading-Kaskade, sondern eine echte offene Geschichte, mit wahrhaften Echtscheidungsmöglichkeiten für die Spieler. Begleitend zu unseren normalen Spielberichten, die dankenswerterweise stets ausführlich und zeitnah erstellt werden @Molybdaen, möchte ich ein wenig über die Vorbereitung und Durchführung der Kampagne aus Spielleitersicht schreiben. Das wird natürlich wegen akuter Spoilergefahr nicht ganz einfach, aber schauen wir mal, was man trotzdem so zustande bekommt.
Da nach der Bestie klar war, dass gerne wieder einmal mehr Fantasy-Elemente im Spiel auftauchen sollten, es aber für ein reines Midgard-Setting nicht wirklich die absolute Mehrheit gab, und ich unbedingt mal einen Abstecher in die Traumlande machen wollte, bot sich natürlich eine Cthulhu Traumlandekampagne im Sinne eines Dark (Horror) Fantasy Settings geradezu an. Ein kurzes Review von The Dreamingstone zeigte dann aber mal wieder die Schwächen der frühen Chaosium Handlungsstränge (Railroading pur), so dass ich aufgrund eines Tipps aus dem Tanelornforum zu TSotSoHM gegriffen habe.
Meine Vorstellung der Traumlande passte sehr gut zu der von Autor Dennis Detwiller, wobei ich einen noch stärkeren Fokus auf Magie - auch in Hand der Spieler - legen wollte. Da ich nur schweren Herzen von The Dreamingstone Abstand genommen hatte, beschloss ich, einige Elemente davon trotzdem zu nutzen. Es gibt dort einige Szenen und Örtlichkeiten, die man einfach gesehen haben muss. Ich denke auch, dass diese Ergänzungen ohne Probleme in TSotSoHM integriert werden können.
Des Weiteren gibt TSotSoHM, obwohl es bereits über 300 Seiten dick ist, nur einen Rahmen vor. Das bedeutet, dass man in jedem Fall eigene Elemente, Handlungsstränge und Geschichten einbringen muss. Hierzu ist es hilfreich, die Kampagne einmal vollständig durchzulesen, was im Übrigen - insbesondere im Gegensatz zur Bestie und anderern ähnlichen Publikationen - eine Freude ist. Das Buch ist gut strukturiert und man kann den Abschnitten immer folgen.
Aktuell gibt es zwei Podcasts mit Spielrundenaufzeichnungen von TSotSoHM. Die eine ist von der Truppe Role Playing Public Radio u. a. mit Ross Payton (wir haben bei der Deutschen Lovecraft Gesellschaft zwei seiner Delta Green Abenteuer übersetzt). Leider ist hier der Sound nicht optimal eingesteuert und gerade das Würfeln oder die Aussprüche der Spieler sind stellenweise sehr laut. Die andere kommt von Rancor's Brothel, die deutlich angenehmer zu hören ist. Beide Gruppen erleben quasi ihren Weg durch die Kampagne, weswegen die Podcasts auch nur Inspiration und keine Anleitung sein können. Trotzdem ist es sehr hilfreich, wenn man sich vorbereitet.
Daneben sollte man unbedingt eine Ausgabe der Dreamlands sein eigen nennen. Die englische Version von Chaosium ist eigentlich noch ganz gut zu haben und kostet auch kein Vermögen, wie bspw. die vergriffene deutsche Ausgabe. Des Weiteren ist die Lektüre von Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath vom guten alten HPL Pflicht.
Da ich unsere Spielgruppe von Zeit zu Zeit mit verschiedensten Regelsystemen belästige, war nach CoC 7E ebenfalls mal wieder ein Wechsel angesagt: FHTAGN. Das ist ein freies (sprich kostenloses) und vollständiges Rollenspielsystem, basierend auf den unter der Open Game License stehenden Elementen aus Delta Green und jeder Menge Eigenentwicklung. FHTAGN wird übrigens von der Deutschen Lovecraft Gesellschaft gefördert. Mit Delta Green wiederum haben wir bereits seit einiger Zeit den einen oder anderen Oneshot gespielt und der Umstieg auf diesen Regelkern ist unserer Spielgruppe gar nicht so schwer gefallen.
Da ein Anspruch von FHTAGN lautet, das Spielen in allen Epochen bereits mit dem Grundregelwerk zu ermöglichen, ist der Einsatz in den Traumlanden natürlich gleich mal eine Feuertaufe für das System.
Es gibt zahllose Karten der Traumlande. Nicht zuletzt im Dreamlands-Supplement ist eine sehr brauchbare Karte enthalten. Da die Spielgruppe jedoch auch wesentliche kleinteiligere Wege zurücklegen wird und außerdem die Route nicht absehbar ist, musste ein Kartenprogramm her. Zudem wollte ich endlich mal wieder mit Hex-Karten spielen, die irgendwie ein schönes klassisches Flair vermitteln.
Nach einigem Hin und Her bin ich Dank eines Blogbeitrags auf Hex Kit aufmerksam geworden und habe es gleich gekauft. Es gibt diverse Tilesets und der Stil gefällt mir richtig gut. Dadurch habe ich alle Freiheiten, auf die Route der Spieler zu reagieren und das Werkzeug nimmt mir viel Arbeit ab.
Karte des Cerenerianischen Meeres
Die Charaktererschaffung erfolgte nach FHTAGN-Standardregeln. Lediglich eine Störung (Opiumsucht) musste jeder Charakter anstatt einer fünften Motivation eintragen. Eine Spielerin hatte bereits vorab angekündigt, sich gerne näher mit Magie beschäftigen zu wollen. Daher durfte sie sich die Facette "Begegnungen mit dem Unnatürlichen" zulegen. Eine weitere Spielering wollte zudem "weltgewandt" sein - alle anderen kamen ohne Facetten aus.
In unserer Spielgruppe werden gerne Portraits der Charaktere als Aufhänger über den Spielleiterschirm gehängt. In diesem Fall wollte ich diesen Umstand noch etwas stärker in den Vordergrund rücken, da TSotSoHM mit dem Umstand spielt, dass die Gruppe aus ihren Körpern der 1925er Jahre gerissen wird, sobald sie in den Traumlanden ankommen. Daher sollte dieser Effekt so präsent wie möglich sein.
Spielercharaktere vorher und nachher
Neben der Portraitkarte gab es beide Gesichter in A4 ausgedruckt. Den ersten hatten sie zu Beginn des Spiels auf dem Platz liegen. Während der Übergangsphase mussten alle die Augen schließen und das Bild wurde leise ausgetauscht. Nach dem "Erwachen" war dann die Irritation groß, auf einmal auf dieses "fremde" Gesicht zu blicken. Das hat sehr gut funktioniert.
Dennis Detwiller hat für seine Kampagne zahlreiche Sonderregeln eingeführt, die mit den klassischen CoC Traumland-Mechanismen von Chaosium brechen. Die meisten davon sind allerdings gut durchdacht bzw. recht hilfreich. Daher setze ich fast alle so um, wie in TSotSoHM beschrieben. Eine Ausnahme sind die Notches, das beißt sich mit der FHTAGN-Mechanik und ist außerdem schwer durchzuhalten.
Im Falle von FHTAGN fällt mir momentan lediglich die Ausrüstungsbeschaffung ein, die unter dem besonderen Umstand der Traumlande etwas schwierig mit den normalen Regeln abzubilden ist. In FHTAGN gibt es kein Geld und die Beschaffung wird mit eigenen Mechaniken abgewickelt. Da die Charaktere jedoch in einer fremden Umgebung sind, greifen diese Regeln nicht ganz. Das ist aber nicht so kritisch und man muss mal schauen, wie sich die Sache entwickelt.
Ganz aktuell wird FHTAGN eine optionale Regel erhalten, die Erfahrungspunkte einführt. Damit können sowohl Fertigkeiten als auch Attribute gesteigert werden. Ich denke, dass wäre eine gute Ergänzung für die Kampagne, da die Spieler schon das eine oder andere an ihren Charakteren verbessern/ändern wollen.
Ansonsten ist gerade das Unbekannte (auch was die Sonderregeln angeht) in den Traumlanden, was den Reiz ausmacht entdeckt werden zu wollen.
Bleibt noch der Ausblick darauf, wohin die Reise wohl hingehen mag. Die Traumlande in TSotSoHM sind geheimnisvoll, unbekannt, überraschend und hoffentlich sehr reizvoll. Die Bewohner sind keine 0815-Fantasy-Dorfbewohner, sondern haben im besten Fall eine Geschichte zu erzählen, die die Gruppe in eine neue Richtung führt. Mir schwebt neben dem Flair aus Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath eine ordentliche Portion Clark Ashton Smith vor. Und etwas von REH Conan sollte nicht fehlen.
Insgesamt war die Vorbereitung durchaus umfangreich und sollte nicht unterschätzt werden. Ein paar eigene Storyelemente oder Örtlichkeiten parat zu haben, ist von großem Vorteil. Ansonsten heißt es jetzt erst einmal: schauen, welche Richtung die Spieler einschlagen, ob das Szenario sie packt und die Begeisterung für die Kampagne und die Traumlande Lust auf mehr machen.