The Sense of the Sleight-of-Hand Man #2
Aufzeichnungen von Milton Avery
- Milton Avery
- Mortimer Wellington
- Li Jinjin Rochefort
- Damian Cornell
- Conrad Quailin
New York, 1925. Die große Hitzewelle rollt über die Stadt.
https://www.youtube.com/watch?v=xDok07WhNmo
Und während sich das gemeine Volk dem gewöhnlichen Spaß von Springbrunnen und Eis hingibt, widmen sich einige dem viel tiefgründigeren Genuss. Einem Hobby, bei dem Herkunft, Stand und Vermögen egal sind, solange man sich das wunderbare Opium kaufen kann. In den Opium-Bars der Stadt trifft man Gleichgesinnte, lässt sich auf einen entspannten Plausch ein und sinniert gemeinsam über das Leben. Bis der Nachschub fällig ist ... und man sollte seine Schulden immer pünktlich bei Mr. Lao bezahlen.
https://www.youtube.com/watch?v=2iqqAIZpp2c
Milton Avery, Mortimer Wellington, Zack Nolan, Li Jinjin Rochefort, Damien Cornell
1925, New York
Ich war gerade mit Gerald auf dem Weg zum Dinner, als Mr. Laos Männer uns entgegenkamen. Schnell komplimentierte ich Gerald in die andere Richtung die Straße hinunter und ging dann auf die Beiden zu.
Mir war natürlich klar, dass meine wachsenden Schulden bei New Yorks mächtigstem Drogenboss nicht folgenlos bleiben würden. Ich hatte bereits das ein oder andere Bild an einen von Laos Geschäftspartnern verloren. Aber diesmal schien er es ernst zu meinen. Seine Schläger führten mich in sein Büro.
Außer mir waren noch vier weitere Personen anwesend. Die dunklen Schatten unter den Augen und die Rastlosigkeit der Bewegungen verrieten, dass sie aus denselben Gründen hier waren wie ich.
Ich stellte mich ihnen vor und bekam nur recht zögerlich Antwort:
Mr. Lao ließ uns nicht lange warten. Zur Begrüßung bot er uns etwas ganz Besonderes an, eine neuartige Mixtur namens Bywandine. Sie sollte aus Leng stammen, wo auch immer das liegen mochte. Ich nahm selbstverständlich sofort an.
Die kleinliche Nachfrage von jemand anderem, ob wir denn nicht unseren Schuldenberg so nur noch vergrößern würden, wischte Mr. Lao fort.
Li erhaschte noch schnell einen Blick auf die Bücher, welche aufgeschlagen auf dem Schreibtisch lagen, bevor sie sich anschloss:
Ich habe schon lange aufgehört zu zählen, wie oft ich den sanften Opiumrausch genossen habe. Aber Mr. Lao hatte nicht zu viel versprochen, niemals war er bisher so intensiv gewesen. Ich entspannte mich und gab mich ganz dem Gefühl der Leichtigkeit hin, bis mich Dunkelheit umhüllte.
Ich erwache in einem fleischgewordenen Albtraum, liege auf etwas Nachgiebigem, Weichem. Ein gigantischer Berg aus Leibern, grotesk ineinander verschlungene Gliedmaßen, aufgerissene Augen, die katatonisch ins Leere starren, und der Gestank …
Ich renne und schreie, versuche nur weg zu kommen von dem Geruch nach Schweiß und Unrat.
Dann steht ein skurril aussehender Mann neben mir. Sein Gesicht ist mit Ketten und Schmuck behangen, sein Kopf kahlgeschoren. Er legt mir seinen Arm um die Schulter und versucht mich zu beruhigen.
Jetzt erst bemerke ich, dass meine Arme dunkler und mit feinen blauen Linien verziert sind. Ich stecke in einem fremden Körper!
Der kettenbehangene Mann vor mir stellt sich als Zack Nolan vor. Nun sehe ich, dass auch die anderen Vier aus Laos Büro hier sind. Aber alle haben andere Körper. Der ohnehin nicht gerade kleingewachsene Damien ist nun ein wahrer Hüne mit mächtigem Bar und stechenden Augen. Aus Mortimer wurde ein schlanker, langhaariger Indianer. Li wirkt jetzt noch agiler und schneller. Zack ist sichtlich irritiert ob des vielen Metalls in seinem Gesicht. Ich selbst scheine den Körper eines Maori zu haben, jedenfalls sprechen dafür die Gesichtstättowierungen, die mir die anderen beschreiben.
In meiner Panik war ich zum Ausgang der Grube geflüchtet. Ein Blick hinaus zeigt eine völlig zerstörte Stadt. Zwar bewegen sich auf den Straßen vereinzelt Menschen, aber die Gebäude ringsum sind nur noch Schutthaufen.
Ein anhaltendes Kichern und Tuscheln, gefolgt von einem widerwärtigen Knacken, erregt unsere Aufmerksamkeit. Durch die aufgetürmten Leiber arbeitet sich ein fetter, aufgedunsener Mann. Er brabbelt fortwährend vor sich hin und bückt sich gelegentlich nach etwas. Diese Kreatur nimmt den bewegungsunfähigen Leibern Schmuck und andere wertvolle Dinge ab.
Damien spricht ihn an und will wissen, wo wir hier sind. Seine beeindruckende Statur schüchtert den Fetten über alle Maßen ein. Mit zitternder Stimme, immer wieder unterbrochen von nervösem Gekicher, gibt er Antwort.
Das Geschöpf nennt sich selbst Sammler, es durchsucht die hier abgeladenen Körper nach Gold und Silber. Seine Auftraggeber sind die Männer von Leng, welche unter der Erde leben. Sie bringen die Körper auf Schwarzen Galeeren hierher und verkaufen sie dann an die Ghoule, welche noch weiter unten in der Dunkelheit hausen.
Die zerstörte Stadt, in der wir aufgewacht sind, heißt Sarkomand. Sie war von den Männern von Leng bewohnt worden, bis vor 10.000 Jahren die Mondbestien kamen. Die Mondbestien schleiften Samarkand, trieben die Männer von Leng unter die Erde und machten sie zu ihren Dienern.
Der Sammler nennt uns „Träumer“ aus der „Wachen Welt“. Es soll viele wie uns geben, in anderen Städten wie Lhosk und Inquanok im Westen, aber nicht in Sarkomand. Hier werden Träumer als Sklaven gehalten. Angeblich gibt es mehrere Punkte, an denen man von dieser in die Wache Welt zurückkehren kann. Einer befindet sich in der Unterwelt, über die Lage der anderen weiß der Sammler nichts.
Er mahnt uns, dass wir uns nach Einbruch der Dunkelheit verstecken und absolut still verhalten müssen. Bösartige Kreaturen würden dann durch die Ruinen streifen.
Damien bringt den Sammler dazu, uns für diese Nacht Unterschlupf zu gewähren. Das Geschöpf wagt aus Angst nicht, Damien zu widersprechen. Er führt uns durch die zerstörten Straßen. Damien erklimmt ein besonders hohes Gebäude, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Er sieht im Süden sechs Kaianlagen, an denen die Schwarzen Galeeren liegen, von denen der Sammler berichtet hat. Der Ozean ist grau und dunkel. Die Stadt war früher wohl recht groß und durchaus beeindruckend. In sechs Bereiche aufgeteilt, erstreckt sich je Bereich eine breite Straße bis zu den Ruinen eines Stadttors.
Wir werden in einen Innenhof geführt, umsäumt von hohen Mauerresten, in deren schwarze Fensteröffnungen etwas lauernd herabzuspähen scheint.
Um das schäbige Zelt des Sammlers stehen und liegen die Überreste schwarzer Statuen. Sie zeigen alle Satyre, die tanzen oder musizieren. Eine beeindruckende Arbeit, die Männer von Leng scheinen wahre Meister der Bildhauerkunst zu sein.
Im Zelt selbst finden sich Kisten voller Dinge, die der Sammler den Unglücklichen in der Grube abgenommen hat. Eine Truhe ist bis oben angefüllt mit roten Edelsteinen. Der Sammler sagt, dass jeder Körper zwei davon im Rücken trüge. Auch wir bemerken bei uns selbst entsprechende Male, unter denen ein Stein verborgen ist.
Geldbörsen mit Ausweisen zeigen uns, dass wir nicht die ersten aus New York sind, die sich hierher verirrt haben. Aber weshalb sind wir bei Bewusstsein im Gegensatz zu den anderen aus der Grube?
Der Sammler beginnt, sonderbar pinkfarbene Stücke zuzubereiten. Der Gestank des verbrannten Fleischs treibt mich wieder raus aus dem Zelt.
Zack und ich werden auf die vielen Schriftstücke aufmerksam, die den Boden des Zelts bedecken. Der Sammler nutzt sie für sein Lagerfeuer. Wir stecken hastig ein paar der Blätter ein, die laut Sammler in der Sprache der Männer von Leng geschrieben sind. Es handelt sich vermutlich um Rituale, darauf weisen die okkulten Symbole hin.
Wir befinden uns nun also in fremden Körpern in Sarkomand, einer Ruinenstadt in einer Art Traumwelt. Umgeben von teuflischen Geschöpfen, die uns entweder versklaven oder an die Ghoule verkaufen, wenn sie uns entdecken. Hatte Mr. Lao das so geplant? Aber wenn ja, was sollen wir hier für ihn tun? Und wie kommen wir wieder zurück?
Der Sammler kennt zwar nur den Übergang in der Unterwelt, den wir nicht nutzen wollen, aber er weiß, wo wir Ausrüstung finden können. Nur mit entsprechenden Waffen können wir hoffen, uns einen Weg nach Inquanok oder Lhosk zu bahnen, wo wir andere Träumer zu finden hoffen.
Als Bezahlung für seine Unterstützung sollen wir für den Sammler eine silberne Statue finden. Sie gehört den Männern von Leng und ist angeblich gestohlen worden. Somit begeben wir uns zur Nachtruhe, Zack und ich halten sicherheitshalber Wache. Wir hören Schreie und sonderbare Laute, aber keines der unheimlichen Geschöpfe kommt ins Zelt.
Nach dieser unruhigen Nacht führt uns der Sammler zu der Höhle, in der wir Ausrüstung finden können. Er warnt uns, den Mund abzudecken und das Wesen unten auf keinen Fall zu wecken.
Aus dem Gang nach unten quillt ein bestialischer Gestank. Mir wird kurz schwarz vor Augen, Übelkeit erfasst mich. Doch ich überwinde mich und gehe mit den anderen hinab.
Der Geruch wird noch schlimmer, als wir schließlich unten angelangen. Der Höhlenboden ist mit allerlei Zeug übersäht, das in einzelnen Haufen sortiert wurde. Wir erspähen Rüstungen, Schwerter und Gürtel. Sofort machen wir uns daran, so viel Nützliches nach oben zu schaffen. Ich kann zwei Bögen und ein paar Pfeile sichern, Damien und Mortimer greifen einige Schwerter, Li bringt Gürtel und Zack findet Rüstungen.
Im hinteren Bereich der Höhle befindet sich eine Grube, aus der ein regelmäßiges Schnauben kommt. Das Nest des Wamps. Wir erspähen rund um das Lager glänzende Gegenstände. Li schleicht sich an die Kreatur heran und versucht, im Halbdunkeln die Statue für den Sammler zu finden. Auch Damien untersucht die Haufen bei der Grube. Bis ein plötzliches Scheppern uns in der Bewegung erstarren lässt.
Das Schnaufen endet abrupt. Ich halte den Atem an. Dann springt aus der Grube eine Monstrosität, halb Kröte, halb Fledermaus, und krallt sich an die Decke. Das Wesen gibt einen hellen Ton von sich, der sich in der ganzen Höhle ausbreitet. Ich stürze zu den abgelegten Bögen am Höhleneingang. Li presst sich an den Boden. Damien wirft etwas in die Dunkelheit, um das Wesen abzulenken. Und tatsächlich stürzt sich der Wamp auf die scheppernde Teekanne. Wir nutzen die Gelegenheit, raffen die erbeuteten Gegenstände und stürzen nach draußen. Damien greift in der Flucht noch einmal zu - die silberne Statue! Keuchend gelangen wir alle ins Freie, ins Licht kann uns der Wamp nicht folgen.
Der Sammler ist sichtlich erfreut, die silberne Satyrstatue zurückzubekommen. Er sagt, sie sei den Männern von Leng nachempfunden. Wir kehren zum Zelt zurück und verbringen eine weitere unruhige Nacht dort.
Am nächsten Morgen brechen wir auf, Richtung Inquanok. Dort hoffen wir, andere Träumer zu finden, die uns bei der Rückkehr in die wache Welt helfen können.
Der Sammler schenkt uns zum Abschied je 20 rote Edelsteine und eine Karte der Gegend. Dann bringt er uns noch zum Stadttor und wir brechen auf.
-- Molybdaen