Nachdem Die Bestie nun hinter uns liegt (Spielbericht und Resümee der 2,5 Jahre folgen noch) verschlägt es die Agenten in einen kleinen Delta Green One-Shot aus dem Fairfield Project, der derzeit von der Deutschen Lovecraft Gesellschaft übersetzt wird (dies ist quasi das Testspiel). Gespielt wird nach FHTAGN-Regeln.
Spoilers ahead ...
// TO AGENTS: Blaze, Ben, Balon // FRIENDLY: Viceroy Oculus //
Nach unserer letzten Mission habe ich mich dann ja doch von Dir überreden lassen, mir Hilfe zu suchen, um nicht als sabberndes Wrack zu enden. Vielen Dank dafür, dieser Dr. Banner brachte mir leider mal so gar nichts. Was soll endloses Gequatsche auch ändern? Mit den Bildern werde ich einfach leben müssen, da kann mir kein Hirnklempner bei helfen, dem ich sowieso nur die Hälfte erzählen kann. Sasha war alles andere als begeistert, dass ich wieder mal ohne Vorwarnung verschwunden bin, aber ich sag Dir ganz ehrlich, das hat sowieso keine Zukunft. Sie wird nie verstehen, was da wirklich abgeht, und wie könnte sie auch?
Kurz nachdem ich zurück war, kam auch schon der nächste Anruf. Diesmal sollten wir uns mit einem Mann namens Viceroy Oculus treffen. Der hatte angeblich irgendwelche Informationen zu einem Stab, aber es war unklar, inwieweit das stimmte. Der Anrufer drückte sich wie immer betont geheimnisvoll aus, aber im Prinzip lief es auf Folgendes hinaus: Da ist ein Typ, bei dem wir nicht sicher sind, ob er was weiß oder ob er einfach nur ein Irrer mit Verfolgungswahn ist. Geht und findet das heraus.
Dieser investigative Mist ist echt nichts für mich, wie Du weißt, ich bevorzuge klare Instruktionen und eine gradlinige Mission. Das hier klang jetzt schon wieder nach endlosen Fragen, Rätseln und Psycho-Scheiße.
Wie dem auch sei, ich bin am nächsten Tag nach New York geflogen, Ben hat mich am Flughafen erwartet. Blaze kam auch noch dazu, nur Blake fehlte leider. Meine Laune war damit schon mal im Keller. Das einzig Positive an diesem Auftrag: Es gab keine bescheuerten kanadischen Tarnnamen.
Dafür gab es allerdings einen bescheuerten Kanadier, wie wir schnell feststellten. Blaze googelte diesen Viceroy und fand schnell heraus, dass er auf seinem YouTube Channel krude Verschwörungstheorien verbreitete. Das war einer von diesen Verrückten, die auf die Apokalypse warteten und sich zur Übung wochenlang von Insekten und Eigenurin ernährten. Total bekloppt. Viceroy Oculus war natürlich nicht sein richtiger Name, sondern Viktor Krehl. Blaze fand noch ein paar alte Arbeitsstellen, die Viceroy alle aufgrund seiner Verrücktheit verloren hatte. Das versprach, ein recht interessanter Tag zu werden.
Wir fuhren zum Coxeter Museum, wo zum vereinbarten Zeitpunkt ein Typ mit Sonnenbrille erschien, bei dem es sich tatsächlich um Viceroy Oculus handelte. Ben startete sofort eine Buddy-Charme-Initiative, um dem Kerl seine Infos zu entlocken. Ich platzierte mich daneben und behielt Viceroy im Auge. Bei so einem Namen musste man auf alles gefasst sein, dachte ich mir.
Es war wie befürchtet, Viceroy hatte nicht mehr alle Latten am Zaun. Er war äußerst misstrauisch und wollte uns zunächst partout nicht sagen, worum es hier eigentlich ging. Schließlich brabbelte er irgendwas von Busgruppen, die ins Museum gegangen, aber nicht wieder herausgekommen waren. Ich dachte kurz „schon mal was von Hinterausgang gehört?“, behielt das aber lieber für mich. Mochte der Kerl auch komplett wahnsinnig sein, unsere Auftraggeber hatten uns bisher nie umsonst aktiviert.
Da wir mit der Befragung von Vic nicht wirklich weiterkamen, schauten wir uns das Museum näher an. Außer uns ließ sich niemand blicken, die Tür war zwar unverschlossen, aber das Foyer gähnend leer. Ich war etwas verwundert, dass nicht mal hinter dem Empfangstresen jemand saß. Der Eingang zur Ausstellung war mit einem schweren Samtvorhang verhangen, ich hörte leise klassische Musik. Über dem Eingang stand auf einer Tafel „Bestow“.
Als ich zum Vorhang ging, sah ich aus den Augenwinkeln hinter dem Tresen einen dunklen Fleck. Ben stellte mit nur mäßiger Überraschung fest, dass es sich um noch warmes Blut handelte. Das Ganze hier hatte etwas von einem schlechten Horrorfilm, aber wir hatten alle mit dergleichen gerechnet.
Nun gab uns Vic eine Kostprobe seines schrägen Potentials und setzte eine Art Sonnenbrille auf. Auf unsere irritierten Blicke hin murmelte er „Damit sie mich nicht durch optische Signale hypnotisieren können.“ Kurz darauf stöpselte er einen Kopfhörer ein „Damit sie mich nicht mit akustischen Signalen hypnotisieren können.“ Was sollte da noch schiefgehen?
Hinter dem Vorhang befand sich ein recht großer Ausstellungsraum mit Gemälden, drei weiteren Ausgängen mit Vorhängen und zwei Treppen nach oben und unten, auch hier war niemand zu sehen. Auf dem größten Bild war eine mittelalterliche Stadt zu sehen. Es war nicht so richtig klar, was dort abging, aber es schien eine Art Aufstand stattzufinden, man sah Flammen und flüchtende oder kämpfende Menschen. Allerdings fanden sich auch Leute, die völlig unbeeindruckt von dem Chaos um sie herum da saßen und aßen oder das Ganze von oben herab beobachteten. Die Plakette daneben enthielt leider nur den Text Landschaftsbild Nr. 1. Der Stil wirkte sehr kitschig, so ähnlich hatten die Bilder im Haus meiner Grandma auch ausgesehen, allerdings waren ihre Motive etwas weniger abgedreht.
Und wie bei jedem Einsatz kam der Zeitpunkt, an dem klar wurde, dass wir in der Scheiße steckten. Diesmal hatte Ben die Ehre. Er kam auf die Idee, einen der Flyer aus dem Foyer zu holen und ging durch den Vorhang zurück. Doch statt des Foyers befand sich ein weiterer Ausstellungraum dahinter, in dessen Mitte eine große Statue stand. Das Foyer war verschwunden – und damit auch der Ausgang.
Wir checkten mehr genervt als beunruhigt die Vorhänge und die anderen Räume, dort befanden sich weitere Gemälde, ein Brunnen und jedes Mal weitere Ausgänge und Treppen, aber kein Foyer und auch keine Fenster. Wir befanden uns in einem verdammten Labyrinth!
Vic begab sich in den nächsten Raum, der voller Porträts hing. Nach einiger Zeit kehrte er schließlich mit einem der Bilder zurück und platzierte es auf einer Bank in der Mitte des Raums. Ich sparte mir jeglichen Kommentar. Ben untersuchte währenddessen das riesige Stadtbild und rief uns dann erschrocken dazu. Nacheinander zeigte er auf einige Stellen und wir fanden jeweils kleine Miniaturausgaben von uns selbst dort. Die Kleidung entsprach zwar dem Stil der anderen Menschen auf dem Bild, aber das waren ganz eindeutig wir dort. Mir wurde kurz ein bisschen schlecht.
Vic untersuchte als nächstes die Statue im Nebenraum, eine riesige Figur, deren Gesicht von einer dunklen Kapuze verhüllt war. Nicht mal der Strahl einer Taschenlampe konnte die Dunkelheit durchdringen. Vic näherte sich der Statue weiter und schien dann aufmerksam zuzuhören, als ob sie ihm etwas sagen würde. Blaze folgte ihm und auch ihm flüsterte die Figur etwas zu, das aber nur er wahrnahm. Zwar unterschieden sich die Infos, die die Statue den Beiden jeweils mitteilte, aber es gab auch eine Übereinstimmung, den Buchstaben W. Wir verschoben die Lösung dieses Rätsels und konzentrierten uns auf Handfesteres.
Blaze war auf einen Becher aufmerksam geworden, den die Statue hielt. Er ging damit in den Raum mit dem Brunnen, füllte ihn mit dem trüben Wasser, in dem sich irgendetwas bewegte, und drückte der Statue den vollen Becher wieder in die Hand. Es war ein bisschen wie diese Spiele, die ich früher mit meinem Bruder gezockt habe „Benutze Becher mit Brunnen“. Das hatte hier erstmal keine Auswirkungen, aber als wir wieder auf das große Bild schauten, füllte sich vor unseren Augen der bisher trockene Brunnen und die Menschen konnten Eimer füllen, um die Brände zu löschen. Wir feierten uns kurz selbst, bevor wir sahen, wie der Brunnen überquoll und die Stadt überschwemmte. Blaze nahm der Statue den Becher schnell wieder weg.
Unser Experiment zeigte, dass unsere Aktionen im Museum den Aufbau des Bildes beeinflussten. Wenn wir alle Rätsel in den Räumen lösten, würde sich der Ausgang vielleicht wieder öffnen? Was blieb uns schon anderes übrig, als es auszuprobieren.
Waren wir zunächst noch sehr vorsichtig, was das Verlassen unseres Ausgangsraums betraf, stürzten wir jetzt durch alle Räume auf der Suche nach Hinweisen. Ein Raum war merklich kühler als die anderen, dort befanden sich Wintergemälde. Jemand hatte die Bank in der Mitte zerhackt und ein Lagefeuer improvisiert. Eine Etage tiefer waren alle Bilder scheinbar abgehängt. Als Ben einen der Vorhänge lüftete, blickten wir von oben auf die Stadt aus dem Bild herab. In weiter Ferne konnten wir sogar uns selbst ausmachen. Ben zog den Vorhang ganz herunter und wir gingen weiter.
In einem weiteren Raum hingen Bilder ein und desselben Mannes. In einer Ecke stießen wir auf eine skelettierte Leiche. Dunkle Flecken und eine verrostete Schusswaffe deuteten darauf hin, dass die arme Sau hier wohl erfolglos versucht hatte, aus dem Labyrinth zu entkommen und sich schließlich die Kugel gegeben hatte. Als wäre das noch nicht genug, befand sich neben ihr eine Art Schatten, der wohl schon zur Leiche gehörte, aber irgendwie nicht zu passen schien. Er war zu weit weg und hatte eine falsche Form. Niemand von uns hatte Lust, sich dem Schatten weiter zu nähern.
Wir folgten einer Wendeltreppe nach unten in einen total verwahrlosten Raum, in dem Unkraut wucherte und die Bilder komplett abgenagt waren. Ich meinte, das leise Quieken von Ratten zu hören. In der Mitte befand sich eine Art Schrein, viele kleine Knochen bildeten einen Kreis.
Wir liefen die Räume alle ab und stellten fest, dass wir teilweise an unmöglichen Stellen wieder herauskamen. Insgesamt gab es nur 8 Räume, die aber alle jeweils 4 Ausgänge und zwei Treppen hatten. Es war eigentlich unmöglich, aber wenn wir jedes Mal die Treppe nach unten nahmen, kamen wir irgendwann in einem Raum raus, der sich in einer ganz anderen Ebene befinden musste.
Vorteil: Es waren nicht wie befürchtet unendlich viele Räume.
Nachteil: Wir hatten keinen Plan, was hier los war.
Wir gingen nochmal in den Raum mit dem Brunnen. Blaze hatte dort ja eine Bewegung im Wasser gesehen und Ben wollte dem auf den Grund gehen. Er steckte seine Hand ins Wasser und tatsächlich schoss irgendetwas auf ihn zu. Er konnte seine Hand gerade noch rechtzeitig herausziehen. Ich improvisierte aus den Vorhängen eine Art Netz, Ben machte wieder den Köder und wir warteten. Das Vieh im Brunnen raste heran, entkam mir ganz knapp und Ben brüllte auf. Er fiel einfach um und umklammerte seinen Arm. Dort waren zwei rote Streifen zu sehen. In dem Brunnen hauste ein verdammter elektrischer Aal, der Ben einen Schlag verpasst hatte!
Der schien ihm aber ganz gut getan zu haben, denn Ben hatte dann den rettenden Einfall, nochmal in allen Räumen gezielt zu suchen. Und tatsächlich fanden wir nun in jedem Raum einen Buchstaben, der in die Bänke geritzt oder mit Holz platziert worden war. So kamen wir schließlich auf die Buchstaben W, N, C, E, B und T.
So richtig Sinn machte das immer noch nicht. Wir erinnerten uns daran, dass über dem Eingang BESTOW gestanden hatte, aber dafür fehlten uns noch S und O. In den Räumen mit den Ratten und in dem mit dem Brunnen hatten wir noch nichts gefunden. Da wir wenig Lust hatten, nochmal den Zitteraal zu nerven, gingen wir in den Raum mit dem Unkraut – an dessen Wände die Ratten wimmelten. Vic hatte schließlich eine Eingebung und deutete auf den Kreis aus Knochen in der Mitte. Das war das noch fehlende O. Somit musste das S im Brunnenraum zu finden sein. Wir verließen uns einfach mal darauf.
Blaze hatte bereits kurz vorher berichtet, dass er ein paar Schemen in den anderen Räumen gesehen hatte und wurde jetzt zunehmend unruhig. Aus dem Winterraum quollen mittlerweile Schneemassen und eines der Bilder hing schief. Große Fußspuren schienen direkt in den Raum zu führen. Wir konnten nicht genau sagen, was hier los war, aber das Gefühl, nur noch wenig Zeit zu haben, wuchs.
Wir hatten nun alle Buchstaben von BESTOW zusammen und überlegten uns, welche Räume wir wann durchqueren mussten. Eine Zeichnung mit allen Türen und Treppen sowie deren Start- und Endpunkten half uns bei der Orientierung. Der Weg heraus schien zum Greifen nahe. Wir mussten einfach nur die Räume in der richtigen Reihenfolge BESTOW ablaufen.
Wir rannten also los, weg von den Schemen und von dem immer stärker werdenden Schneetreiben.
Im vorletzten Raum holten uns die Schemen schließlich ein. Da die Dinger aber zunächst nichts taten, ignorierten Blaze und ich sie und stürmten weiter in den letzten Raum. Nur Vic hielt es für eine gute Idee anzugreifen. Und so schmiss er ein Diktiergerät in ihre Richtung. Offensichtlich angepisst von seiner Aktion stürzten sie sich auf ihn. Ben, der kurz hinter ihm war, lenkte die Schemen mit lautem Gebrüll ab, so dass Vic nur einen leichten Schlag abbekam. Wir rannten alle durch den letzten Raum weiter und fanden uns plötzlich auf einem großen Platz wieder – mitten in der Stadt aus dem Gemälde. Unter uns tobten Kämpfe, Feuer und nach kurzer hitziger Diskussion drehten wir uns um und rannten zurück ins Haus. Man musste die Räume einmal hin und einmal zurück durchqueren, war unsere Schlussfolgerung. Diesmal ignorierten wir alles um uns herum, Scheiß auf die Schemen und den Schnee, wir rannten nur noch und landeten wieder im Foyer. Ein Brüllen hinter uns ließ uns weiter durch die Tür rennen und endlich standen wir wieder im Freien!
Ben rief dann sofort unseren Kontakt an und schilderte die Lage. Man sagte uns, dass wir uns von dem Gebäude fernhalten sollten. Als ob wir uns diesem Drecksloch noch einmal freiwillig nähern würden! Die Sache wurde dann auf gewohnt unauffällige Weise von unseren Vorgesetzten gelöst. Eine „Gasexplosion“ machte das Coxiter Museum und alles, was sich darin befand, dem Erdboden gleich.
Beth, wir haben die Mission zwar erfolgreich abgeschlossen, aber ich überlege, Dr. Banner vielleicht doch noch eine Chance zu geben …