Impossible Landscapes #11

Vor fast einem Jahr hast du über einen Bekannten ein Angebot vermittelt bekommen, was sehr gut klang. Eine kleine "Besorgung", rein ins Haus, raus aus dem Haus - nichts weltbewegendes. Der Auftraggeber trat nur über einen verschlüsselten Messenger-Dienst in Erscheinung. Du hattest Anweisungen und einen Übergabeort. Das Objekt war in einer hölzernen Truhe und nicht sehr groß oder schwer. Alles lief gut, bis zur Übergabe. Du hattest dich bereits dem Van mit den getönten Scheiben auf diesem Parkplatz in einem Industriegebiet genähert, als auf einmal drei Wagen vorfuhren und schwer bewaffnete Leute heraussprangen. Eine Blendgranate detonierte, dann eine schwere Explosion. Am Boden liegend konntest du sehen, was in der Truhe war: Eine Skulptur aus Stein ... fast wie flüssigem Stein, denn das Material bewegte sich, veränderte sich, begann zu fließen ... auf dich zu. Die Türen des Vans waren aufgerissen, gaben den Blick ins Innere frei. Die Gestalt auf dem Rücksitz erschien dir irgendwie merkwürdig, das Gesicht dunkelgrau und schuppig. Ein Sturmgewehr kam zu Vorschein. In dem Moment packten dich zwei Hände und schleiften dich weg. Jemand warf eine Handgranate in den Van und schnappte sich die Truhe. Dann Schwärze ... Bewusstlosigkeit.
Tage später, nachdem du das Krankenhaus verlassen konntest, in das du gebracht wurdest, hat man dich kontaktiert. Und dir einen neuen Job angeboten. Dieses Mal für die Guten, wie sie sagten. Sie sagten auch, sie hätten Videoaufnahmen von deinem Einbruch und Fingerabdrücke auf Gegenständen, die dich mit einem Schusswechsel und mehreren Toten in Verbindung bringen würden. Sie sagten, du könntest deine Schuld begleichen, indem du für sie arbeiten würdest. Sie nennen sich Delta Green und sie scheinen Dinge zu beseitigen, die kein Mensch sehen sollte. Dinge, die man nicht stehlen darf. Dinge, die nicht sein sollen.
Kurz nach dem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erhielt ich eine Einberufung an die mexikanische Grenze. Mir blieb also keine Zeit mich in meinem kleinen Eigenheim am Rande von LA auszuruhen. Zusammen mit drei anderen Delta Green Rekruten wurde ich von Jill empfangen, die sich als unser Mädchen für alles und direkter Kontakt zur Organisation vorstellte. Bis auf Brandnarben am Arm wirkte sie wie eine durchschnittliche Bürokraft. Begleitet wurde sie von Gordon, dem die Aura eines Ex-Militärs anhaftete. Die beiden schien mehr als nur ihr Beruf zu verbinden. Gordon gab uns einen Crash-Kurs in Agententaktiken (Axiome), und erklärte uns, dass wir nun die T-Zelle seien. Unsere Decknamen hatten also alle mit einem T zu beginnen. Dann ließ er uns in einer Hütte mit einer Flasche Jack Daniels allein, damit wir uns ein wenig besser kennenlernen konnten. Wir tauschten uns also aus, ich gestand ein von der Organisation Schutz zu erhalten und deshalb mitzumachen, Trina war auf der Suche nach antiken magischen Waffen die das Thema ihrer Forschung waren, Tekla hatte zu viele merkwürdige Verwundungen behandelt und war nun deren Verursachern auf der Spur und Tracy war von Patriotismus erfüllt und wollte unser Land gegen jede Gefahr verteidigen. Nach einiger Zeit kam Gordon zurück und war sichtlich beleidigt, dass wir den Schnaps nicht angerührt hatten. Da er uns auf jeden Fall enger zusammengeschweißt sehen wollte, nahm er es auf sich uns durch ein gemeinsames Erlebnis zu verbinden. Seine Vorstellung von Erlebnis war es, eine Blendgranate in den Raum zu werfen und diesen dann schleunigst zu verlassen. Wir vier waren der Wirkung der Granate voll ausgeliefert und bekam mehr oder weniger angeschlagen erneut die Falsche von Gordon angeboten. Damit endete unsere „Ausbildung“.
Wenige Tage später erhielten wir alle einen Brief, dass wir uns in einem bestimmten Postamt in Boston einzufinden hätten. Einen kurzen Flug, sowie einen Besuch im örtlichen Walmart um eine Waffe zu kaufen später, trudelten wir alle in besagtem Postamt ein. Dort empfingen uns abermals Jill und Gordon. Jill briefte uns für unseren Auftrag: Clyde Boughman, ein ehemaliger Agent im Ruhestand, war tot in seiner Wohnung gefunden worden und wir sollten seinen Nachlass auf kompromittierendes Material untersuchen. Wir erhielten einen kurzen Lebenslauf der mit einem natürlichen Tod endete, einen Wohnungsschlüssel und die Anweisung hier in 48 Stunden wieder zu erscheinen. Bis dahin würden auf jeden Fall die Erben in Erscheinung getreten sein.
Wir begaben uns sofort in die relativ miese Wohngegend und betraten nach einer Erkundung der Umgebung und dem Leeren von Clydes Briefkasten sein Appartement im vierten Stock. Im Schutz der Wohnung untersuchten wir den Inhalt des Briefkastens, doch er bestand nur aus einer Menge Werbung. Dafür fanden wir beim Schließen der Tür einen riesigen Schlüsselbund mit einer Vielzahl unterschiedlichster Schlüssel. Das Appartement selbst bestand aus einer unaufgeräumten Küche, einem ramponiertem Badezimmer in dem Clyde den Spuren und dem Geruch nach verstorben war, einem Schlafzimmer, das als einzig außergewöhnlichen Fund einen Satz neuerer Outdoor Bekleidung enthielt, einem Wohnzimmer und einem mit Akten und Pappkartons vollgestopftem Arbeitszimmer.
Während wir die Wohnung durchsuchten klingelte es an der Tür und Tracy hatte die Geistesgegenwart zu öffnen und sich als Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma vorzustellen. Nicht, dass noch besorgte Nachbarn die Polizei rufen, weil sie Geräusche in der Wohnung ihres verstorbenen Nachbarn hören. Dies wäre vermutlich wirklich passiert, denn vor der Tür Stand Frau Janowitz mit ihrem kläffenden Hund. Sie stellte sich als der Inbegriff der neugierigen Nachbarin heraus und versuchte immer wieder in die Wohnung zu spähen. Glücklicherweise konnte Tracy sie relativ zügig abwimmeln.
Wir konnten uns also wieder ungestört auf die Suche nach Merkwürdigkeiten machen und fanden tatsächlich Rechnungen zu einer Hütte im Wald die ca. zwei Stunden Fahrtzeit entfernt lag. Außerdem fanden wir Wartungsunterlagen zu einem Auto sowie den passenden Schlüssel am Schlüsselbund. Wir beschlossen uns zur Hütte zu begeben, da wir hier wohl nichts weiter finden würden. Wir packten noch schnell alle Unterlagen die die Hütte betrafen in einen Müllsack und füllten einen zweiten mit abgelaufenen und möglichst stinkenden Lebensmitteln aus der Küche.
Auf der Suche nach der richtigen Garage trafen wir erneut auf Frau Janowitz und ihren Kläffer. Wir zeigten ihr den präparierten Müllsack als die Früchte unserer Arbeit und fragten sie nach der Garage von Herrn Boughman, die wir ja auch noch aufzuräumen hatten. Aber leider gelang es uns nicht sie zu überzeugen, und so ging sie misstrauisch ins Haus zurück.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als die richtige Garage selbst zu finden. Ein kurzer Blick auf die immer gleich gebauten Garagen offenbarte die Marke des verbauten Schlosses, was uns erlaubte den entsprechenden Schlüssel an unserem Schlüsselring zu identifizieren. Mit diesem Schlüssel probierten wir nun die Garagentore durch und dank etwas Glück fanden wir recht schnell das richtige Tor. Im Inneren befand sich ein älterer Kombi dessen Kofferraum mit diversen Werkzeugen gefüllt war. Wir setzten uns mit unseren Sachen schnell in das Fahrzeug und fuhren davon, ein letzter Blick zurück zeigte eine Gestalt am Fenster des Wohnhauses, die uns argwöhnisch nachsah.
Im Handschuhfach des Wagens entdeckten wir eine Landkarte mit einer markierten Route, die uns direkt zur Hütte führen würde. Wir hielten unterwegs nur kurz an um uns Vorräte für diesen Campingtrip zu organisieren, dann legten sich einige von uns auf dem Rücksitz schlafen, während die anderen zwei die Fahrt durch den nächtlichen Nebel meisterten.
Gegen Mitternacht erreichten wir die Hütte, sie machte einen relativ ordentlichen Eindruck und verfügte sogar über Strom und fließend Wasser. Obwohl wir hundemüde waren untersuchten wir das Innere der Hütte und stießen tatsächlich auf eine alte Army Kiste die scheinbar als Green Box des verstorbenen Agenten diente, denn sie war randvoll mit Kram: Unter anderem fanden wir Filmrollen, Briefe, ein Buch mit dem Titel „Skydevils in native mythology“, Unmengen Akten, einige Blendgranaten, ein Lederbeutel mit Federn, Kinderzähnen und Haaren, eine magnetische Glaskugel, ein antikes Schwert sowie eine handgeschrieben Notiz. Die Notiz stammte von Clyde und wies den Finder an das Benzin aus dem Schuppen zu nehmen, in den Fäkalientank zu kippen und diesen anzuzünden, ohne sich den Inhalt des Tanks anzusehen. Clyde selbst habe es nicht übers Herz gebracht.
Trotz unserer Müdigkeit eilten wir sofort hinaus. Der Schuppen war tatsächlich voller Benzinkanister, und der Fäkalientank war ebenfalls leicht zu finden. Das Rohr das vom Klo zum Tank führte, war fein säuberlich durchtrennt und zugeschweißt worden. Wir debattierten noch ob wir unserer Neugier nachgeben und den Tank untersuchen sollten, oder ob wir den Tank lieber direkt in Flammen aufgehen lassen sollten. Unsere Unterhaltung wurde von einem Wummern im Tank sowie einem „Helft mir, ich bin so schwach“ unterbrochen, dass durch die extrem dicke und mit mehreren Schlössern gesicherte Stahlluke des Tanks klar zu vernehmen war. Obwohl Clyde vor mehreren Wochen verstorben war und sich somit niemand um die Frau hatte kümmern können und obwohl diese angeblich schwache Person klar durch die Stahlluke zu hören war und immer noch kräftig gegen die Wände schlagen konnte, siegte die neugierige Fraktion. Trina bediente sich des Schlüsselbundes um die Vorhängeschlösser zu entfernen, und da ich offenbar der Einzige mit einer Schusswaffe war, gab ich ihr beim Öffnen der gut geölten Luke Deckung.
Unten im Tank lag eine halb verweste Frau in einer flachen Drecksbrühe, ihre Haut war blaugrün, ihr Bein aufgedunsen und ihr fehlten sämtliche Fingernägel. Ihr Name war Marlene und sie sagte, immernoch mit klarer, kräftiger Stimme, dass ihr Mann Clyde Experimente mit ihr gemacht habe, und sie Hilfe benötige.
Tracy entfernte sich etwas von der Gruppe, um in dem Buch aus der Army Box nach Hinweisen zu suchen, der Rest von uns diskutierte erneut, ob wir ihr helfen sollten, ob ihr überhaupt zu helfen war oder ob von ihr eine Gefahr ausging. Trina schlug vor Marlene ins Bein zu schießen und abzuwarten wie sie darauf reagiere. Es ist unklar ob Marlene das hörte, oder ob ihr die Geduld ausging, sie beschloss jedenfalls ihre Schauspielerei aufzugeben und mit einem kräftigen Satz aus dem Tank herauszuspringen, der Trina zurückschleuderte. Ich konnte gerade noch einen Schuss in ihren Torso abgeben, bevor sie mir mit ihrer fingernagellosen Hand und einem gerufenen „Ich bin so hungrig“ mehrere blutige Striemen auf meinem Brustkorb verpasste und sich nicht sonderlich beeindruckt von dem glatten Durchschuss mit großen Sprüngen Richtung Waldrand aufmachte. Dort erhob sich gerade Trina, die mit Dolchen bewaffnet versuchte Marlene aufzuhalten. Das Handgemenge währte nur kurz, dann löste Marlene sich aus dem Kampf und floh in den Wald. Trina folgte ihr wie von Sinnen und ihr wiederum folgte Tracy, die von dem Schuss angelockt worden war.
Ich wurde unterdessen von Tekla in die Hütte gebracht und notdürftig verarztet. Ich bin sicher sie wusste was sie tat, aber besser gefühlt habe ich mich danach nicht. Da die geölten Scharniere der Luke das am besten in Schuss gehaltene Teil auf dem ganzen Gelände gewesen waren, hatte Clyde bestimmt eine Möglichkeit gehabt die Luke ohne Gefahr zu öffnen. Dementsprechend musste etwas aus der Box hilfreich sein, meine erste Priorität nach dem verbunden-werden war also den mit merkwürdigem Kram gefüllten Lederbeutel an mich zu bringen.
Tracy hatte inzwischen Trina eingeholt und schärfte ihr ein, mit zurück zur Hütte zu kommen. Dann eilte sie selbst zurück zur Hütte. Trina hatte aber anderes vor, und versuchte Marlene im Wald zu stellen. Marlene erfüllte ihr diesen Wunsch und sprang sie an. Es entbrannte ein Kampf von vergammelter Klaue gegen Dolch, den Trina knapp für sich entschied. Marlene floh erneut ins Unterholz und Tracy rettete sich schwer verletzt zur Hütte. Dort wurde sie ebenfalls von Tekla verarztet, klagte danach aber über noch mehr Schmerzen (unsere Ärztin versagte bei jedem Erste Hilfe Wurf des Abends und dies war sogar ein kritischer Fehlschlag).
Völlig am Ende unserer Kräfte beschlossen wir die Hütte zu befestigen, eine Wache aufzustellen und zu versuchen etwas Schlaf zu bekommen.
Am nächsten morgen fanden wir ein ausgeweidetes Tier neben der noch offenen Luke. Da wir keine Spur von Marlene finden konnten, hofften wir, dass sie nachtaktiv sei und nutzten den Tag um uns auf die nächste Nacht vorzubereiten. Ich gab meine Waffe an Tracy, da sie im Umgang damit erfahren war.
Dann setzte ich mich ins Auto und fuhr in die nächste Siedlung in der ich Handyempfang hatte. Wir setzten unsere größte Hoffnung in Informationen über die Skydevils, doch das Buch das wir zwischenzeitlich überflogen hatten war wenig aufschlussreich. Ich versuchte mich also an einer Google Recherche, musste aber schon bald feststellen, dass diese überhaupt nicht zu Marlenes Erscheinung und Verhalten passten. Den von Trina gewünschten Flammenwerfer konnte ich ebenfalls nicht auftreiben, dafür improvisierte ich beim örtlichen Schlachter einen möglichst blutiges Schwein als Köder. Vielleicht würde Marlenes Hunger sie dazu treiben unvorsichtig zu handeln.
Zurück bei der Hütte wurde der Schweinekadaver neben die Luke gelegt und wir wandelten die großzügigen Benzinreserven in Brandsätze um. Dann teilten wir uns in zwei Gruppen auf und warteten auf die Nacht.
Tatsächlich vernahmen wir nach längerem Warten Geräusche aus dem Wald denen ein lautes Schmatzen vom Schweinefleisch folgte. Vorsichtig spähten wir aus unseren Verstecken: Leider hatten wir nur eine Bärenmutter mit ihrem Jungen angelockt. Diese zogen sich bald in den Wald zurück. Da die Nacht ansonsten ereignislos verlief, riefen wir verzweifelt nach Marlene und boten ihr etwas zu Essen an. Doch wir bekamen sie nicht wieder zu Gesicht.
Am nächsten Morgenfuhren wir mit der Army Kiste zurück nach Boston, da heute unser Termin mit Jill im alten Postamt stattfinden sollte. Wir parkten das Auto etwas abseits und betraten das Gebäude. Jill erwartete uns mit einem Klemmbrett und wir erstatteten ihr Bericht. Sie ließ das Auto bergen und führte ein Telefongespräch, um eine andere Gruppe mit dem Marlene Problem zu betrauen. Erneut wirkte sie wie eine Buchhalterin, denn sie lies keinerlei Emotionen erkennen, weder als wir unsere Sorge um die Anwohner in der Nähe der Hütte bekundeten, noch bei der Erzählung von Marlene und auch nicht bei unseren Verletzungen. Immerhin ließ sie uns vor Ort von einem Mitglied der Organisation verarzten, weil unsere seltsamen Klauenspuren Fragen im örtlichen Krankenhaus nach sich ziehen könnten. Dann wünschte sie uns einen angenehmen Rückflug, was unseren Termin beendete.
-- Ranwyr