Die Bestie II: Inselreigen #3
Malta, Januar 1929
- Angus Fergusson
- Despina von Bodenschwing
- Edward Watkins
// TO: A-CELL // BEGIN REPORT // CLASSIFIED // OPERATION OBSERVER EFFECT //
Das Delta Green Team "B-Zelle" war in Chicago unterwegs und berichtet von der letzten Operation.
Aufgrund der Natur des Abenteuers enthält der Bericht eine explizite Ausdrucksweise. Der nachfolgende Text ist nicht für Kinder und zartbesaitete Kultistenseelen geeignet.
Dienstag, 10:00 Uhr
Der dritte Auftrag hat mal so richtig abgefucked angefangen. Wobei man sich da mittlerweile eigentlich schon dran gewöhnt haben sollte. Ich bin ja nun echt kein Weichei, aber so langsam geht mir das Ganze an die Nieren. Sasha ist kurz davor, mir den finalen Arschtritt zu verpassen und mein Bruder hat sich seit Wochen nicht mehr gemeldet, nachdem ich ihn andauernd hatte abwürgen müssen.
Es ging auf jeden Fall wieder gut los. Ich war letztens auf dieser bescheuerten Messe in Chicago. Da hab ich Dir mal von erzählt, so eine bei der sich die ganzen Steroid-Poser versammeln, um über das nächste heiße Eiweißpülverchen zu fachsimpeln. Auf jeden Fall war ich kurz davor zu gehen, als ich plötzlich angefangen habe zu schreien. Einfach so, ich steh da zwischen all den Menschen und brülle wie am Spieß, der Typ neben mir hat sich fast eingepisst vor Schreck.
Und dann war’s auch schon wieder vorbei und ich hatte keinen Plan, was da gerade abgelaufen ist. War natürlich ziemlich peinlich, die ganze Sache, und ich hab zugesehen, dass ich wegkomme. Muss wohl sowas wie ein Flashback gewesen sein, aber das einzige, woran ich mich noch erinnere, war ein Geräusch, als würde jemand Knochen brechen, und zwar ganz langsam. Hab mich dann spontan entschieden, da nicht weiter drüber nachzudenken, bringt ja eh nichts.
Kurz darauf hab ich dann einen Anruf bekommen, dass ich mich nachmittags in Downtown Chicago einfinden soll. Du kannst Dir denken, dass ich nach all dem Mist nicht mehr an einen Zufall geglaubt hab. Meine Leidensgenossen Blake, Ben und Blaze waren auch wieder dabei. Ich frage mich, was mit unserem Soldaten passiert ist, Barney war ja nur das erste Mal dabei. Vielleicht ist er schon Dauergast in der Geschlossenen, wer weiß. Ich hab die anderen sofort gefragt, ob sie auch so komische Anfälle hatten und natürlich hatten sie die. Allerdings variierten die Erinnerungen ein bisschen. Schlau wurden wir daraus leider nicht. Einige schienen nicht wirklich glücklich darüber zu sein, dass ich sie nochmal darauf angesprochen habe.
So eine ältere Frau kam rein und hat uns unseren Auftrag erklärt, die sah ziemlich geschafft aus. Der Auftrag klang simpel, kurz gesagt: Wir sollten eine wissenschaftliche Anlage demolieren (also eigentlich „abschalten“ und die Kommunikation nach außen unterbrechen). Im Olympian Holobeam Array hatte um 10 Uhr (welch Überraschung) ein Experiment begonnen, das unser Auftraggeber beenden wollte. Die Frau hat uns auch erzählt, was genau da erforscht wurde, warum das alles so unheimlich gefährlich wäre, mit unabsehbaren Folgen, blabla. Aber ganz ehrlich, der Physikunterricht ist schon viel zu lange her und ich war da auch mehr mit Lindsay Freemans Ausschnitt beschäftigt. Ich hab nur irgendwas mit Raumzeit und einem Nachweis dazu verstanden, absoluter Geekkram, mein Bruder hätte damit vielleicht was anfangen können.
War mir aber eigentlich auch völlig egal, unsere Aufgabe war das Sabotieren des Versuchs, und ich dachte mir, dass ich so eine Anlage mit einer Axt sehr schnell und nachhaltig abschalten könnte.
Unsere Tarnung war mal wieder brillant: Als Mitarbeiter des Department of Energy waren wir zu einer Routinekontrolle angemeldet und bekamen dazu entsprechende Ausweise. Auch hier konnten wir wieder mit geballter Inkompetenz auf dem benötigten Gebiet glänzen. Und dann haben die mir echt den Namen Alfred Boucher verpasst, als ob ich so ein dämlicher Kandier wäre. Ich hatte schon gedacht, dass es nach Craig G. Kerstetter nur bergauf gehen könnte, weit gefehlt. Immerhin gab es zwei Wagen und Knarren für alle. Ein klein wenig beunruhigend fand ich die Geigerzähler, die ebenfalls zur Ausrüstung gehörten. Die Tatsache, dass die Alte meinte, die seien nur pro Forma dabei, hat mich nicht wirklich überzeugt.
Während ich mich hinters Steuer geklemmt habe, hat Blaze erstmal fleißig gegoogelt und so einiges über den Geldgeber des Olympian Holobeam Array rausgefunden. Die Einrichtung gehört zur March Tech Inc. und der Oberboss Curt Shank ist ein ehemaliger Militär, der der Airfoce und dem Department of Defence nahesteht. Scheinbar hat er nach seinem Austritt aus der Army seine Kontakte ziemlich clever genutzt. Und Blaze hätte bestimmt auch noch mehr rausgefunden, aber plötzlich klingelte sein Handy und die Scheintote aus dem Meeting eben forderte ihn auf, nicht weiter nachzuforschen.
Zur Einrichtung selbst konnte Blaze noch ein paar wichtige Lagepläne und Personalinfos sammeln. Leiterin war eine Dr. Campbell, neben ihr gab es noch zwei Forscher, zwei Ingenieure, vier Sicherheitsleute, eine IT-Frau und eine Hausmeisterin. Alles in allem sehr übersichtlich. Das Sicherheitspersonal hatte militärischen oder polizeilichen Hintergrund, und das merkten wir auch bei der Einlasskontrolle.
Das komplette Gelände war mit Kameras gespickt, einige offensichtlich, einige versteckt angebracht. Soviel zu meinem Axtplan. Überhaupt schien uns allen das Problem der unauffälligen Flucht am schwierigsten zu lösen, um das Abschalten der Anlage machten wir uns nur am Rande Gedanken.
Wir parkten direkt auf dem Gelände und gingen zum Hauptgebäude, vor dem ein weiteres Security-Häuschen stand. Die Wachfrau Karen Henson sah ziemlich fertig aus und zitterte leicht. Die Leiterin der Einrichtung kam raus und sah auch nicht mehr ganz fit aus. Ich weiß noch, dass ich mich zu dem Zeitpunkt fragte, ob es am Wetter liegen konnte, dass alle Frauen heute so abgewrackt wirkten. Nichtsdestotrotz war Dr. Campbell ziemlich resolut und es war klar, dass sie uns hier in erster Linie als Störung sah. „Wenn Du wüsstest“, dachte ich noch.
Sie erzählte von einem Stromausfall, der aber nur kurz gedauert habe und von den Notstromaggregaten abgefangen worden sei. Einer der Forscher, Dr. Takagawa, hätte sich zu der Zeit im Atrium aufgehalten und würde sich seitdem unwohl fühlen. Das Atrium beinhaltete einen Laser und gehörte zu den Gebäuden, in denen das eigentliche Experiment stattfand, soviel hatte ich verstanden. Dr. Takagawa lag seitdem in seinem Büro auf der Couch und schlief.
Dr. Campbell führte aus, was genau es mit dem Experiment auf sich hatte, und sie klang dabei ziemlich meschugge, gelinde gesagt. Abgesehen davon, dass ich mit ihrem Gefasel von „Rauschen des Raums“ und „hinter die Realität schauen“ nicht viel anfangen konnte, hat mich die bisherige Arbeit für Delta Green doch ein wenig geprägt. Was der Dame als so verlockend und faszinierend erschien, löste bei mir nur ein unbestimmtes flaues Gefühl im Magen aus. Da kannst Du sehen, Beth, diese Arbeit schafft mich allmählich.
Kozak, der Kollege von Dr. Takagawa, hat uns dann durch die Anlage geführt. Der Typ hatte einen widerlich laschen Händedruck, da war mir schon klar, dass mit dem was nicht stimmte. Mein Vater hat immer zu mir gesagt: „Sohn, wenn du den Leuten das Gefühl gibst, sie würden einem Stück Scheiße die Hand geben, dann werden sie dich auch so behandeln!“ Dazu hat Kozak auch noch die ganze Zeit vor sich hingesummt wie ein Gestörter. Als mir das dann irgendwann wirklich auf die Nerven ging und ich ihn mal unauffällig darauf angesprochen hab, hat der Penner gemeint, er würde gar nicht summen. Damit hatte er sich dann endgültig das Häkchen bei „durchgeknallt“ verdient.
Ben konnte während unseres Rundgangs noch einen kurzen Blick auf Dr. Takagawa werfen und war sich sicher, dass der Typ weder schlief noch komatös war oder sonst was. Aber wach war er auf keinen Fall.
Im nächsten Büro sahen wir Dr. Black, einen der Wissenschaftler. Der war auch nicht mehr ganz astrein und brütete über einem Zettelchaos am Boden.
Im Rechnerraum saß dann noch die IT-Frau namens Tsang. Auch die hat von uns kaum Notiz genommen und nur auf ihre Monitore gestarrt. Wie es sich für waschechte Geeks gehört, hatten sie dem Rechner einen Namen verpasst: Dee.
Campbell erzählte uns, dass aus dem Muster auf den Monitoren eine Art Musik generiert werden könnte. Tsang bot dann auch gleich an, uns das Ergebnis vorzuspielen. Ben und ich lehnten dankend ab. Die hatten hier alle einen Knall. Wer weiß, ob das nicht damit zusammenhing, dachte ich mir. Erfreulicherweise wirkten Blake und Blaze nach dem Abspielen der Töne aber noch ganz normal – also so normal, wie die beiden eben sein konnten. Mir war aufgefallen, dass Blake immer mal wieder völlig sinnlose Zahlenkolonnen vorbetete. Ich glaube, nach dem letzten Einsatz hatte es sie doch etwas ernster erwischt.
Ihren Job bekam sie aber trotzdem ganz gut auf die Reihe. Als wir später wieder zusammen waren, berichtete sie, dass laut Tsang der Stromausfall recht lange gedauert hätte, ganz anders, als Dr. Campbell gesagt hatte. Es habe sich dabei um eine Art Puls gehandelt, und Dee hatte berechnet, dass es in der nächsten Zeit zu weiteren solcher Pulse kommen würde, im Abstand von ca. einer Stunde. Der letzte Puls sollte um etwa 10pm stattfinden. Der dazugehörige Graph füllte den gesamten Monitor und laut Tsang wäre die Folge „unendliche Energie“. Ein nicht unwichtiges Detail war die Information, dass das Experiment trotz des Stromausfalls nicht unterbrochen worden war. Zwar gab es ein kleines Notstromaggregat, das hätte aber niemals für den Laser gereicht. Tsang konnte sich nicht erklären, warum der ganze Versuch nicht unterbrochen worden war. Hier habe ich mich dann geistig wieder ausgeklinkt und nochmal ernsthaft den Gedanken an die Axt erwogen.
Während Blake mit Dee flirtete, hatte ich Dr. Black aufgesucht und mich bemüht, Interesse an seiner Arbeit zu heucheln, was mir nicht leicht fiel. Die Abbildungen auf den Zetteln, die in seinem Büro rumlagen, waren alle sehr alt, mittelalterliches Zeug vermutlich. Er wollte eine Verbindung zwischen diesem abstrusen mythologischen Kram und dem herstellen, woran im Moment hier geforscht wurde. Ich verabschiedete mich höflich und so schnell wie möglich. Die waren alle nicht mehr ganz sauber.
Da die Sache wohl doch nicht mit einem einfachen Steckerziehen zu lösen war, haben wir uns mal das Atrium mit dem Laser angeschaut. Auf Bens Drängen hab ich unauffällig etwas Erde mitgenommen und in meine Tasche gestopft (ich hoffe schwer, Tsi Ling bekommt den Fleck wieder raus!). Derart perfekt ausgerüstet haben wir uns dann den Laser angesehen, an dem gerade rumgebastelt wurde. Scheinbar waren die Sicherungen beschädigt worden, das Experiment lief aber immer noch. Leider konnten wir mit all den Trotteln hier drin nichts weiter ausrichten und gingen zurück ins Hauptgebäude.
Dort angekommen zuckten Ben und Blake plötzlich zusammen, es hatte wohl einen weiteren Puls gegeben, den die beiden voll abbekamen. Sie erzählten von weiteren Flashbacks, in denen die Werkstatt der Einrichtung und der Geruch nach verbranntem Fleisch vorkamen. Allmählich wurde die Zeit knapp. Was beim letzten Puls geschehen würde, wollten wir uns lieber nicht vorstellen.
Zu allem Überfluss ging uns die verdammte Campbell jetzt zunehmend auf den Sack. Die Alte war hier vermutlich am verrücktesten und wollte uns unbedingt vom Gelände werfen. Der ausgeknockte Takagawa kam glücklicherweise in dem Moment zu sich und alle waren abgelenkt. Ben half dem ziemlich fertigen Typen erstmal auf die Toilette. Den hatte es offenbar richtig schlimm erwischt, seine Pisse war bläulich-weiß und seine Augen verfärbten sich komplett weiß. Er schrie dabei, dass er nichts mehr sehen könnte und niemand wusste, was das nun wieder zu bedeuten hatte.
Blaze und ich waren vorher bereits raus gegangen, um Karen und ihren Monitoren im Security-Häuschen einen Besuch abzustatten. Zunächst fiel sie leider auf keinen meiner Ablenkungsversuche rein und blieb stur an ihrer verdammten Hütte stehen. Aber dann sah ich auf einem der Monitore, was in der Toilette bei Takagawa abging und wies sie übertrieben erschrocken darauf hin. Jetzt endlich verpisste sich die dumme Kuh ins Gebäude, ich rannte hinterher, um sie im Auge zu behalten. Blaze nutzte die Gelegenheit und machte sich an den Monitoren zu schaffen. Ich hoffte nur, dass er schnell den Ausknopf fand.
Als wir dann bei Takagawa ankamen, war die allgemeine Verwirrung perfekt. Irgendjemandem fiel jetzt auch auf, dass eine weitere Forscherin, Dr. Klinger, bereits seit Stunden verschwunden war. Das war natürlich der ideale Zeitpunkt, um Karen zu einer gründlichen Durchsuchung des gesamten Geländes zu raten. Erfreulicherweise machte die sich dann auch direkt auf die Suche und ich begleitete sie, um sie im Ernstfall vom Security-Häuschen wegzulocken.
Bei der Gelegenheit schnappte ich mir in Blacks Büro gleich noch ein paar beschriebene Post-Ist und ließ sie in meiner Tasche verschwinden (und griff dabei in den Dreck, den ich immer noch mit mir rumschleppte …). Während Karen also kopflos durchs Gebäude rannte, ich sie dabei möglichst verlangsamen wollte und Ben den mittlerweile wie ein Schwein schwitzenden Takagawa zu beruhigen versuchte, arbeitete Blaze fieberhaft daran, die Monitore abzuschalten. Karen ließ sich von mir leider nicht überzeugen, dass ihre Chefin Campbell völlig irre war, und suchte stur weiter nach der vermissten Klinger. Als wir uns wieder dem Security-Häuschen näherten, brüllte ich wie blöd rum, um Blaze zu warnen. Als wir an der Fensterfront des Häuschens ankamen, stellte ich erleichtert fest, dass Blaze weg und alle Monitore dunkel waren. Ich gönnte Karen das schon ziemlich, weil sie so dämlich war und nicht auf mich hören wollte. Selbst schuld, die Alte, sie war völlig am Ende mit den Nerven.
Dann kam der zweite Puls und sorgte für noch mehr Chaos. Ben hatte schon wieder einen Flashback vom Parkplatz und Blut auf dem Boden. Takagawa ging es immer schlechter, trotzdem konnten wir keinen Krankenwagen rufen. Unsere Auftraggeberin hatte uns gewarnt, dass weder Polizei noch Sanitäter auf unsere Tarnung reinfallen würden.
In diesem Moment kam Klinger aus der Werkstatt am Ende des Ganges, auch ihre Augen sind weiß wie die von Takagawa, aber sie scheint trotzdem sehen zu können. Sie murmelt „Ich bin zurück, hier hat es angefangen“ und grinst dabei. Black hat es mittlerweile geistig auch komplett zerrissen, er brabbelt was von Azathoth, Dämon, schwarzer Thron, Musik und Trommeln. Campbell wird hysterisch und beschuldigt uns, an allem hier Schuld zu sein. Sie beschuldigt Ben, ihr Telefon gestohlen zu haben, und befiehlt Karen, ihn zu durchsuchen. Ben hatte zuvor wohl versucht, Campbell davon abzuhalten, die Polizei oder sonst wen anzurufen. Clevererweise hatte er ihr Telefon aber nicht mehr bei sich, so dass Campbell nichts gegen ihn in der Hand hatte.
Nach seiner erfolgreichen Aktion bei den Monitoren war Blaze in den Rechnerraum gegangen und hatte sich daran gemacht, den Rechner vom Netz zu nehmen. Leider brachte das die bisher so lethargische Tsang dazu, ihn mit einem Keyboard zu attackieren. Blaze blieb nichts anderes übrig, als die Frau niederzuschlagen. Er fand dann einen sonderbaren schwarzen Zylinder mit dem Logo der March Inc., hatte aber keine Ahnung, was es damit auf sich hatte.
Ich besann mich zu diesem Zeitpunkt auf meinen ursprünglichen Plan und machte mich endgültig auf die Suche nach einer Axt, die ich nach einigen Enttäuschungen in der Werkstatt fand.
Der dritte Puls kam und hatte jetzt sichtbare Auswirkungen. Klinger, die eben noch im Gang gehockt hatte, verschwand plötzlich und kam wieder aus der Werkstatt. Takagawa brüllte währenddessen wie am Spieß.
Wir fanden alle wieder zusammen und stürmten zum Atrium. Draußen registrierten wir noch Karen, die leblos und mit verbranntem Gesicht vor ihrem Häuschen lag. Aber wir hatten keine Zeit mehr bis zum letzten Puls und rannten weiter. Blaze versuchte sich panisch am Nummernpad vorm Atrium, bekam das aber erst nicht auf die Reihe. Während ich bei ihm blieb und Wache hielt, stürzten Ben und Blake zurück zum Hauptgebäude. Im Rechnerraum lag Tsang, ebenfalls tot. Ben versuchte, den sonderbaren schwarzen Zylinder wegzuschaffen, als Klinger plötzlich reinkam. Sie hatte ein schmerzerfülltes Gesicht und entschuldigte sich, dann griff sie Blake an. Klingers Hände waren glühend heiß und verbrannten das Fleisch bei jeder Berührung. Blake meinte später, es sei ganz schnell gegangen, Klinger habe ihr die Hände um den Hals gelegt und zugedrückt, das war’s dann.
Blaze hatte mittlerweile draußen endlich die Tür zum Laser geknackt, als in dem Moment der letzte Puls kam. Ben rannte gerade raus und sah noch eine schwarze Wolke, in der Sterne funkelten, er hörte Trommeln dröhnen und dann explodierte der Laser.
Das war dann aber noch lange nicht das Ende, wie Du Dir denken kannst. Wir alle fanden uns unversehrt im Eingangsbereich wieder, scheinbar ging der ganze Mist nochmal von vorne los. Ich griff mir sofort den Black, der am nächsten bei mir stand und hab ihn angebrüllt, dass wir sofort zum Laser müssten. Ich hätte ihn am liebsten erschlagen, weil er sich weigerte, uns die Tür aufzumachen. Wir versuchten mit aller Gewalt, die Trottel hier von der Gefahr zu überzeugen, aber im Gegensatz zu uns schienen die sich an nichts zu erinnern. Es kam also, wie es kommen musste. Wir rannten zum Atrium, Blaze versuchte wieder, das Schloss zu knacken, woraufhin Ben von Karen angeschossen wurde und ich eine Taserladung verpasst bekam. Dann wurden wir alle eingesperrt.
Und es begann wieder von vorn. Diesmal standen wir im Rechnerraum. Jetzt riss uns allen endgültig der Geduldsfaden. Ich hatte überhaupt keine Idee, wie man dem ein Ende setzen konnte und ich war kurz davor, einfach alles abzuballern, was mir in die Quere kam. Die anderen versuchten fieberhaft, einen Sinn oder ein Muster zu erkennen. Die Pulse schienen eine Art Zeitsprung einzuleiten, so viel war klar. Und Karen schien die einzige zu sein, die sich außer uns dessen bewusst war, und sie murmelte immer wieder etwas von „Alle Beobachter müssen sterben“, was immer das zu bedeuten hatte.
Blaze entschied sich für eine konsequente und gründliche Herangehensweise. Er machte aus dem schwarzen Zylinder im Terminal Kleinholz und zerstörte den Rechner, dann bastelte er einen Molotow-Cocktail, den wir auf den Laser warfen. Aber der Albtraum endete immer noch nicht. Wir rannten alle wie von Sinnen auf dem Gelände rum und ich untersuchte die anderen Gebäude, die zum Laser gehörten, ohne aber einen Hinweis zu finden. Dann meine ich mich noch an einen lauten Knall zu erinnern, bevor es dunkel wurde.
Kennst Du den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Genau so war das, nur nicht so lustig. Ich wachte im Hotelbett auf, schweißgebadet und völlig neben der Spur, aber unverletzt. Ein Blick aufs Handy sagte mir, dass es Dienstagmorgen war. Was auch immer passiert war, einer meiner Mitstreiter musste den richtigen Ausknopf gefunden haben.
Ich habe die anderen gefragt, um herauszufinden, was jetzt eigentlich passiert war (oder eben NICHT passiert war). Wie sich herausstellte, hatte Ben den rettenden Einfall gehabt. Er hatte sich seine Gedanken zu Klinger und ihrer Aussage gemacht, dass alle Beobachter sterben müssten. Klinger hatte, nachdem sie wieder zurück war, Tsang, Karen und wohl auch die anderen Wissenschaftler umgebracht, aber eben auch Blake. Ben schlussfolgerte daraus, dass nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch unser Team Beobachter waren und deshalb sterben mussten. Er hat also jeden einzelnen von uns erschossen und zum Schluss sich selbst eine Kugel verpasst.
Beth, das alles ist dermaßen abgefucked. Ich meine, unser Auftrag konnte nur erfüllt werden, wenn wir uns selbst abknallten. So richtig weiß ich jetzt nicht, was ich von Ben halten soll. Ja, er hat uns mit seiner Aktion da raus geholt, aber er hätte uns auch sagen können, was los ist. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ja eh nichts mehr zu verlieren.
-- Molybdaen