Die Bestie III: Blumenkinder des Todes #1
Boston, Juni 1929
- Fanny Fowler
- Henry Harris
- Vitus Hartmann
- Rose Morgan
Die Vergangenheit liegt wieder hinter den Charakteren, so wie es sich gehört. Doch die nächsten Schritte führen sie zu gänzlich anderen Orten, an denen Wissen über die Bestie zu finden sein könnte.
Zurück im Hier und Jetzt beratschlagen wir nach unserer Vision in Mauretanien im Jahre 1160 v.Chr., was nun zu tun sei. Wir tragen noch einmal alle Fakten und möglichen Theorien zusammen, finden aber immer noch keine zufrieden stellende Antwort auf unsere drängenden Fragen. Was geschieht, wenn die Bestie erwacht? Wie will Hauptmann das bewerkstelligen? Wie können wir es verhindern? Oder ist es bereits zu spät dafür?
Wir kommen schließlich zu dem Schluss, dass der nächste logische Schritt die Kontaktaufnahme mit der legendären Hypatia ist. Sie wird uns vielleicht mehr über die Zusammenhänge berichten können, schließlich hat sie bereits den Baron getroffen, auch wenn diese Begegnung scheinbar recht unfreundschaftlich endete.
Es kostet uns einige Zeit und eine nicht unerhebliche Menge Geld, mithilfe einer Gruppe von Studenten und Professoren der Universität den genauen Ort zu ermitteln, an dem Hypatia in Alexandria zu treffen ist. Schließlich können wir herausfinden, dass sie beim nächsten Vollmond in einer Parkanlage erscheinen soll. Wir machen uns also zu dem besagten Termin auf den Weg.
Der genaue Ort ist ein großer Brunnen mitten im Park, da wir nicht wissen, wie genau die Kontaktaufnahme vonstattengehen wird, sehen wir uns um und warten. Schließlich können wir eine schlanke Frauengestalt in fließenden weißen Gewändern ausmachen. Ihr Gesicht wird von einem Schleier verdeckt, aber als wir sie ansprechen, gibt sie sich als Hypatia zu erkennen.
Obwohl sie sehr freundlich ist, beantwortet sie uns leider keine unserer konkreten Fragen, sondern gibt uns zu verstehen, dass wir zunächst alle einen Schutzzauber benötigen, damit sie uns weiterhelfen kann. Wir sind etwas ratlos, da wir nur einen Mnar-Stein besitzen, aber sie sagt uns, dass ein solches Schutzzeichen von einigen Menschen in Alexandria gewirkt werden könne. Allerdings sollen wir aufpassen, dass der Preis, der dafür verlangt werden wird, nicht zu hoch ausfällt.
Somit verlassen wir Hypatia wieder und ich befrage unseren Kontakt an der Universität, ob er wisse, wo man derlei Magie erstehen könne. Er ist alles andere als begeistert, aber ich insistiere und schließlich finden wir uns nach einigen Umwegen im Hinterzimmer einer heruntergekommenen Opiumhöhle wieder.
Dort fragt uns eine Frau hinter einem vergitterten Fenster nach unserem Anliegen. Und wie erwartet will sie sogleich erfahren, welchen Preis wir dafür zu entrichten bereit sind. Ich überlege noch kurz, was ich am leichtesten entbehren könnte, aber dann wird mir klar, dass hier ein wirkliches Opfer gefordert ist. Die geheimnisvolle Dame würde einen Übertölpelungsversuch höchstwahrscheinlich durchschauen. So entscheide ich mich, einen Teil meines Verstandes zu geben im Austausch für das Schutzzeichen.
Wir losen aus, wer den Schutzstein bekommen soll, den wir bereits besitzen, und so braucht Despina als einzige nichts für den Zauber zu geben. In Anbetracht des Verlustes diverser Bediensteter scheint uns das allen mehr als nur angemessen zu sein.
Die anderen geben alle bereitwillig etwas von ihrem Selbst und am nächsten Tag erhalten wir jeder ein großes, grob gearbeitetes Metallamulett, welches von einem sonderbaren Stern mit einem Auge in der Mitte geziert wird. Das Zeichen ist dasselbe, welches auch in den Mnar-Stein eingearbeitet wurde.
Ich nutze die Zeit bis zum nächsten Vollmond, um die Verbindung zwischen Nofru-Ka und Neferhotep zu ergründen. Beide lebten in der 14. Dynastie um 1700 v.Chr. und scheinen Widersacher gewesen zu sein. Der Priester Nofru-Ka hat vermutlich gegen den Pharao Neferhotep intrigiert. Der Pharao entging den Anschlägen und konnte seine Gegner in die Flucht schlagen. Nofru-Ka wurde getötet und sein Leichnam an einem unbekannten Ort vergraben. Wir haben eine entsprechende Karte in der Burg des Barons Hauptmann gefunden, die uns wahrscheinlich zu Nofru-Kas Grab führen kann.
Dann gab es ja auch noch die Pharaonin Nitocris und ihren Ptah-Priester, die aber weit früher in der 3. Dynastie lebten. Hier könnte man auch nochmal eine mögliche Verbindung prüfen.
Trotz der Tatsache, dass ihre bisherigen Bediensteten jedes Mal ein äußerst unerfreuliches Ende nahmen, gibt Despina die Suche nach einem widerstandsfähigen Begleiter noch nicht auf. Leider hat sich das Schicksal ihrer Angestellten mittlerweile herumgesprochen, so dass sich lediglich ein Bewerber findet: Der schon etwas betagte Simon. Despina scheint den leichten Alkoholdunst, den der gute Mann verströmt, nicht zu bemerken und da er trotz ihrer eindringlichen Warnungen vor den Gefahren einer Anstellung bei ihr nicht zurückschreckt, ist er von nun an ihr neuer Begleiter.
Ausgerüstet mit unseren Schutzamuletten kehren wir zum nächsten Vollmond zu Hypatia zurück. Diesmal hält sie sich bei einem Regierungsgebäude auf. Sie erkennt, dass wir nun den Schutzzauber haben und wirkt mit ihrem Schleier eine Art Tor, durch welches wir in eine bizarre Welt treten. Wir finden uns an einer Kaianlage wieder, der Himmel ist nebelverhangen und das Wasser, das an die Kaimauer schwappt, ist pechschwarz. Es scheint sich etwas Großes unter der Oberfläche zu rühren.
Die Architektur hier ist viel zu riesig, um für Menschen gedacht zu sein. Hohe Stufen führen zu einem düsteren Gebäude hinauf, dessen Eingang von gigantischen Säulen gesäumt wird. Dies scheint die Bibliothek von Celaeno zu sein. Wir müssen die Stufen mehr hinaufklettern als –steigen und wundern uns, für welche Kreaturen sie wohl erschaffen wurden.
Am Eingang angekommen können wir sehen, dass die Haupthalle übersät ist mit Schutz und herabgestürzten Büchern. Große Trümmerteile liegen herum, alles ist mit einer ekelhaften, schleimigen Flüssigkeit bedeckt. Es fällt nur weniges, fahles Licht hinein, so dass alles in mehr als ein paar Metern Entfernung in Dunkelheit versinkt. Die Wände sind über und über gefüllt mit Büchern, Tafeln, Schriftstücken, und es ist nicht auszumachen, wie viele Etagen das Bauwerk hat.
Von oben dringt ein ohrenbetäubender Lärm aus Zwitschern, dem Flattern von riesigen Flügeln und anderen grässlichen Lauten zu uns herunter. Wir erinnern uns, dass wir keinesfalls zur Decke schauen dürfen, da dort der Wahnsinn lauere, aber es fällt angesichts der widerlichen Geräusche sehr schwer, diesen Rat zu beherzigen.
Wir folgen den Angaben des Barons zur Lagerung der Schriften über die Bestie und begeben uns in den zweiten Eingang auf der rechten Seite, dort beginnen wir den mühsamen Aufstieg zur 6. Ebene. Der Weg ist äußerst anstrengend und als wir schließlich in der richtigen Etage angekommen sind, stehen wir vor dem Problem, dass die Bücher nach keinem uns verständlichen System geordnet sind. Zudem sind sie in völlig fremdartigen Sprachen verfasst, so dass wir uns auf gut Glück vorarbeiten müssen. Mich bringt die ganze Situation so aus der Fassung, dass ich mehrmals Tafeln fallen lasse, die in tausend Stücke zerspringen, was zusätzlich an meinen Nerven nagt.
Zu allem Überfluss hat auch nur Despina eine Lampe dabei, so dass wir noch langsamer vorankommen. Als wir uns schließlich einer Ecke nähern, hören wir plötzlich ein beunruhigendes Geräusch, als ob ein Stück Leder über den Boden schleifen würde. An der sich nun langsam aus der Düsternis schälenden Wand befindet sich ein Tisch mit Tinte, Papier und diversen Schriftstücken. Dahinter hockt eine mehr als mannsgroße Statue, die aussieht wie eine Art riesenhafte Fledermaus.
Als der Lichtstrahl sie trifft, entfaltet das Wesen riesige, lederne Schwingen und entblößt eine Reihe messerscharfer Zähne. Ich kann mich nicht genau erinnern, was dann passiert, jemand schreit, das Wesen bleckt die Zähne und ich laufe ihm entgegen, glaube ich.
Als ich wieder zu mir komme, ist das Wesen in der Dunkelheit verschwunden und ich stehe vor dem Tisch. Von Angus fehlt jede Spur und wir versuchen, ihn durch Rufen wieder zu uns zu lotsen. Schließlich taucht sein verschrecktes Gesicht im Schein der Taschenlampe auf, ihm ist nicht passiert.
Mit zitternden Händen machen wir uns an die Untersuchung der Schriftstücke auf dem Pult. Hier scheint jemand vor nicht allzu langer Zeit gearbeitet zu haben.
Da die Notizen in amerikanischem Englisch verfasst wurden, haben wir den Verdacht, dass sie von Edward Chandler stammen könnten. Wurde sein Körper demnach vom Baron Hauptmann übernommen? Arthur zeichnet alle Schriftfunde ab, Despina steckt die Phiole ein.
Wir machen uns an den beschwerlichen Rückweg, um durch das Tor zurückzureisen. Doch zu unserem Erschrecken ist der leuchtende Kreis an der Kaimauer verschwunden! Wir alle sind ratlos und kehren verzweifelt in die Bibliothek zurück, um auf gut Glück einen Ausweg zu suchen.
Stattdessen begegnet uns ein freundlicher Herr, der trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille trägt und ganz selbstverständlich durch diese unheimliche Umgebung wandert. Er stellt sich als Dr. Laban Shrewsbury vor, und Angus und ich erinnern uns, dass vor vielen Jahren ein Professor dieses Namens an der Miskatonic University tätig gewesen war. Er war unter äußerst mysteriösen Umständen verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Scheinbar hatte er zwar den Weg in die sagenhafte Bibliothek hinein gefunden, war aber nie wieder hinaus gelangt.
Auf seine Brille angesprochen, nimmt er diese höflich ab und enthüllt zwei weiße, blind gewordene Augen. Trotzdem hat er keine Probleme, sich hier zurecht zu finden und wirkt insgesamt auch keineswegs verstört, sondern eher begeistert.
Wir fragen ihn, ob er irgendetwas über die Bestie wisse, woraufhin er sich daran erinnert, dass diese nur erwache, „wenn die Sterne richtig stehen“. Als wir ihn fragen, ob er wisse, wie man hier heraus käme, verweist er auf die Bibliothekarin Hypatia, die hier irgendwo sein müsse. Er fragt uns noch, ob wir bereits in den Genuss der Aalwanderung gekommen wären, was wir leicht beunruhigt verneinen. Dann verabschiedet er sich und wir machen uns auf die Suche nach Hypatia.
Wir finden sie schließlich in einem Seitenflügel, unsere Taschenlampe ist bereits sehr schwach, als wir ihre weiße Gestalt auf einer Galerie erblicken. Sie kommt auf unser Rufen hin zu uns herunter und erklärt sich bereit, uns zurück zu bringen. Sie bedeutet uns allerdings, noch kurz zu warten. Dann bricht in der Haupthalle ein unbeschreibliches Chaos aus. Vor uns kriecht ein riesiges, sich windendes Knäuel aus glänzenden, schleimigen Würmern in die Halle. Und wie auf ein Zeichen hin erwacht die Decke darüber zu unheimlichen Leben. Die Fledermausgeschöpfe stürzen sich auf die widerlichen Geschöpfe am Boden und veranstalten ein wahres Massaker. Die Geräusche, die das Schlachtfest begleiten, werde ich in diesem Leben nicht mehr los. Dies ist wohl die von Dr. Shrewsbury so angepriesene Aalwanderung.
Nachdem die Monster ihr Abendessen beendet haben, führt uns Hypatia wieder runter zur Kaianlage, wo sie ein Tor erschafft. Erleichtert treten wir hindurch – und finden uns mitten auf einer belebten Straße im Zentrum Alexandrias wieder.
-- Molybdaen